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Kirchengeschichte
St. Christian, St. Bartholomäus, St. Maria-Magdalena - gegr. 1109 -

 

 

Auf der höchsten Erhebung der Eiderstedter Landschaft liegt die ursprünglich den Heiligen Christian, Bartholomäus und Maria Magdalena geweihte Kirche. Sie beherrscht das Zentrum der kleinen Stadt, der 1590 von Johann Adolf, Herzog von Schleswig-Holstein, die Stadtrechte verliehen wurden, und ist der Mittelpunkt des Ortes. Die Gassen und Straßen des Städtchens laufen sternförmig auf sie zu bzw. führen strahlenförmig von ihr fort. Klassisch kommt dadurch zum Ausdruck, was die Kirche ihrem Wesen nach sein will:

Zentrum des Lebens.

Unschwer sind die zahlreichen baulichen Veränderungen wahrnehmbar, die die Jahrhunderte mit sich gebracht haben. Auffälligste Spuren sind die zugemauerten romanischen Fenster an der Nord- und Südwand des Kirchenschiffes. Sie verweisen auf die Anfänge des zweitältesten Kirchenbaues in Eiderstedt. Als Hauptkirche der Landschaft Everschop wurde sie 1109 gegründet. Der Ursprungsbau war bereits in Kreuzform angelegt, im Innern jedoch mit einer flachen Balkendecke versehen. Lediglich der Chorraum wurde noch nicht errichtet; vielleicht wölbte sich im Mittelschiff eine halbrunde Apsis nach Osten.
In der Gotik (1483-1488) wurde der romanische Bau dann gänzlich überformt und umgestaltet. Neben den großen Fensteröffnungen sind äußerlich sichtbarste Zeugen dieser Veränderung: der Anbau des Altarraumens, die Errichtung der Stützpfeiler und der Gewölbe sowie die Errichtung des Turmes. Ein hohes, spitzes Dach - der Dachansatz ist an der Ostseite des Turmes zwischen den Schallöffnungen noch deutlich erkennbar - zierte die Kirche und gab ihr das typische Aussehen eines gotischen Kirchbaues. Es war ein außerordentlich schwerwiegender Eingriff in die Optik des Gebäudes, als man im Jahre 1660 das Dach der Kirche, vermutlich aus praktischen Erwägungen, niedrig hielt und damit die Dachfläche verkleinerte. Es bleibt der Phantasie des Betrachters überlassen, sich in das ursprüngliche Bild hineinzudenken. Ohne Reiz wird es nicht sein. Allerdings muß man diese Kirche erst betreten haben, um ihre besondere Eigenart und ihren Seltenheitswert zu erkennen.
Äußerlich gibt 'St. Christian' nicht zu erkennen, daß es sich bei ihr tatsächlich um ein Unikum handelt. Die Gardinger Kirche ist einzigartig in der Landschaft und weit darüber hinaus im gesamten norddeutschen Raum. Zunächst stellt sie die einzige, noch ganz eingewölbte Kirche dar; lediglich die Gewölbe im Turm sind nicht oder nicht mehr vorhanden. Wohl sind in Eiderstedt gewölbte Altarräume erhalten, aber kein einziges Kirchenschiffgewölbe. Das eigentliche Charatkeristikum ist die Zweischiffigkeit des Kircheninneren.
Im nordelbischen Raum findet man, außer in Krummesse bei Lübeck und Petersdorf/Fehmarn, keinen weiteren zweischiffigen Kirchenbau. Wo baugeschichtlich die Einflüsse für diese zweischiffige Hallenkirche liegen, ist bisher nicht erforscht. Bekannt ist lediglich, daß im skandinavischen Raum noch heute auf der schwedischen Insel Gotland 31 zweischiffige Kirchen erhalten sind. Möglicherweise blieb bei dem Wunsch, die Kirche einzuwölben, keine andere Wahl, als sich für die Zweischffigkeit zu entscheiden, da die Breite des Kirchenschiffes nicht zuließ, es mit einem einzigen Gewölbe zu überspannen. Der Gedanke daran, daß es vielleicht architektonisch Absicht gewesen sein könnte, erhöht den Reiz dieses Kirchenraumes nur. Es lohnt, den gediegenen und eigenwilligen Raum, dessen Gewölbe sich auf die zwei schweren Mittelpfeiler stützen, auf sich wirken zu lassen.
Ein weiteres, unverkennbares stilistisches Merkmal ist die deutlich erkennbare Kreuzform. Gardings Kirche ist die einzige im Lande, die ein wirklich ausgeformtes Querschiff besitzt. In Oldenswort ist dieses lediglich ansatzweise vorhanden. Der südliche Teil des Querschiffes, in den man durch den noch aus romanischer Zeit stammenden Rundbogen hineingelangt, ist wohl gegenüber dem nördlichen Querarm der ältere. Am Eingang zu diesem Raumteil ist deutlich erkennbar, wie die stilistischen Epochen der Romanik und Gotik förmlich ineinanderlaufen. Wer Freude am baugeschichtlichen Werdegang der Kirche hat, mag zur Kenntnis nehmen, daß das ursprüngliche Niveau des Innenraumes im Jahre 1981 durch Absenken des Fußbodens wieder hergestellt wurde. Seitdem sind die Säulenfüße sichtbar, und der Innenraum wirkt gestreckter und schlanker. Denkt man sich jegliches Gestühl aus dem Kirchenschff fort, mag vor dem inneren Auge das Bild einer typischen Wandel- und Prozessionskirche gotischer Prägung erstehen.
 

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