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Patras, 18. Juli 2004

Inzwischen sind wir wieder einmal in Patras eingelaufen. Beeindruckend war die Fahrt unter der neuen, gewaltigen Hängebrücke hindurch. Es sieht aus, als würde sie vielleicht in diesem Jahr sogar noch fertig... Der Funk- Kontakt mit "Rio Traffic Control" für die Einweisung zum Durchfahren der Brückenregion war einwandfrei - ich vermute aber, dass ich trotz all dem Palaver durch´s falsche "Loch" gefahren bin, auch wenn nichts moniert wurde.  Die Fahrt bis hier her durch den Golf war sehr schön, besonders, weil immer wieder herrliche Segeltage dabei waren:

Wenn bei einer Nauticat vom Typ unserer Unity Besan- und Großsegel geborgen sind, die Genua bis zum 3. Reff eingerollt ist und wir dann immer noch mit 5 Knoten Fahrt unterwegs sind, nickt der Kenner wissend. Für alle anderen: 1. Es hat Wind - und zwar saftig - mit entsprechender Welle. 2. Der Wind kommt von da, wo ihn die Nauticat am liebsten hat: von hinten. Vorgestern durchpflügten wir auf diese Weise den Golf von Korinth. Elisabeth thronte auf dem Achterdeck und steuerte die Unity von Wellental zu Wellenberg und wieder zurück, womit sie gut beschäftigt war, da der Wind schräg von hinten kam. Das bedeutet, dass das Schiff mit jeder Welle um bis zu 20 Grad herumgeworfen wird. Also ist permanent heftiges Kurbeln am Steuerrad angesagt. Trotzdem oder gerade deshalb genossen wir den herrlichen Tag auf dem Meer. Pia patroulierte ständig rund um´s Boot - sie ist inzwischen enorm seefest und hat ihre Beinchen breit ausgestellt bei ihren Wanderungen, was, besonders von hinten, wirklich lustig aussieht. Wenn grade an den Segeln nichts zu trimmen war, die Position bestimmt oder ein Kaffee gekocht werden musste, besorgte ich den Ausguck auf dem Vordeck und lag bequem auf dem Sack des Sturmsegels zwischen Rettungsinsel und Mast, während der Bug in den Wellen 1-2 Meter auf und ab tanzte.

Am Vortag waren wir morgens aus dem schrecklichen Hafen von Xylokastro an der Pelepones-Seite des Golfs ausgelaufen. Wieder eine abstruse Variante des Themas "Verschwendung von EU-Geldern": Marmorverkleideter Fischereihafen, ebenso protzig aufgemachter Hafen für kleine Motorboote, zusätzlich mit Amphitheater (!) und Gemälden an den Wänden. Ein mondäner "Yachtclub", der abends zur Discothek wird, die den ganzen Hafen bis in die frühen Morgenstunden beschallt. Der Gipfel: Bei all dem Protz war nicht genügend Geld da, um eine Flußmündung neben dem Hafeneingang so leiten, dass sie nicht permanent Sand in die Einfahrt spült, sodass ständig gebaggert werden muss, um eine schmale Rinne offen zu halten. Dafür sind auch die Ufer des Flusses stufenförmig wie ein Amphitheater gestaltet - damit möglichst viele Zuschauer das Stück "Versandung des Hafeneingangs" betrachten können? Wir waren trotzdem eingelaufen, weil es schon spät war. Klappte auch mit angehaltenem Atem. Am nächsten Morgen wollte uns der Hafenmeister persönlich aus dem Hafen lotsen, fuchtelte wild und rief griechische Kommandos. Da liefen wir dann auf. Beim 2. Versuch nahmen wir Anlauf und preschten "Augen zu und durch" mit voller Motorkraft hinaus. Da der Grund sandig war, wurde der Kiel, wie ich bei einem besorgten Tauchgang später am Tag feststellen konnte, nur etwas von Algen befreit, ein wenig Antifoiling an der Unterseite ist ab, aber das ist zu "verschmerzen". Gelobt sei der extreme Langkieler mit im Kiel eingebettetem Ruderblatt und 80 Pferdestärken am Propeller.

Wir setzten über nach Galaxidi an der Festlandsseite. Reizend. Ein altes Seebad mit hübschen Häuschen, im Stil die verträumtere Ausgabe von Lefkas - gerade, als ich Elisabeth bei einem Spaziergang erzählte, dass mich die Anlage wie Lefkas an alte französische Seebäder erinnert, kamen wir am Haus eines französischen Vereins vorbei - na bitte. Es war Samstag und prompt öffneten abends an der gegenüber liegenden Hafenseite zwei Diskotheken ihre Tore. Gott sei Dank klang der Lärm nicht allzu laut herüber, aber die Sekunden-Beats, die der geneigten Kundschaft mit Stahlhämmern in die Trommelfelle getrieben wurden, waren trotzdem gut zu hören. Ich beschloss, mir ein Gegenprogramm zu machen (Elisabeth schlief bereits in der Vorpiek wie ein Murmeltier) und legte im Ruderhaus die CD "Sommer" des Pianisten George Winston auf. Welcher Balsam, welche Wohltat! Akzentuierte Klänge, mit Gefühl und Präzision gesetzt, gelassen perlende Läufe, Musik, die eine Atmosphäre heiterer Kontemplation verbreitet. Welcher Kontrast zu dem aufdringlich seelenlosen Klangmüll der Diskotheken - billige brutale Massenware, nur geschaffen, um eine Atmosphäre mit Aggression aufzuladen, damit die angetrunkenen Gäste nicht einschlafen - und weitertrinken. Dafür wird dann auch der Aggressionsgrad der Beats und die Lautstärke von Stunde zu Stunde gesteigert. Wer sich diesem Schrott freiwillig stundenlang aussetzt, kann von zwei Dingen keine Ahnung haben: 1. Was Musik ist, und woran man ihre Qualität erkennt, 2. Wie nachhaltig diese akustische Körperverletzung Nerven und Gehör schädigt.

Am Abend legten dann vor uns noch drei Schiffe im "Päckchen" an - ein Holländer und zwei Deutsche. Ganz originell: Man wirft keinen Anker, sondern macht sich einfach ungefragt seitlich an einem Schiff fest, das einen Anker geworfen hat. Wenn Seitenwind kommt, muss dann der eine Anker drei Schiffe halten. Besonders bei deutschen Skippern betrübt uns solcher Blödsinn - sollten sie doch irgendwann irgendwo mal etwas von "Seemannschaft" gehört haben - und nach deren Regeln tut man so etwas einfach nicht. Auch der Engländer hinter uns war nicht gerade eine Zierte seiner Gattung - haben wir Engländer doch in den überwiegenden Fällen als exzellente und höfliche Seeleute kennen gelernt: Motor auf Vollgas, um die Batterien aufzuladen (Kühlschrank? Klimaanlage?) und dann stundenlang vom Boot gehen - die benachbarten Boote sind derweilen in Lärm und Gestank gehüllt. Irgendwann tauchten dann 3 üppige Blondinen auf - stimmen die dummen Witze doch? (Nachtrag: es handelte sich, wie wir inzwischen wissen, um eine achtköpfige Damencrew im Alter von ca. 20 Jahren  - nun ja, das Fach heißt ja auch Seemannschaft... später lagen die Mädels in Trizonia wieder hinter uns - anlegen und Motor anlassen war "eins"... Himmel hilf ...) Am nächsten Morgen hatten es die Deutschen vor uns überhaupt nicht eilig, aufzubrechen, auch wenn wir und ein Boot neben uns, schon seit geraumer Zeit freundlich zu verstehen gegeben hatten, dass wir bitteschön gerne aufbrechen würden, weil doch der Wind gut stünde und wir noch etwas Wegs vor uns hätten. Berührte niemanden wirklich, bis ich auf die Hupe drückte und verbal etwas energischer wurde. Ich hasse es, wenn mich Menschen zwingen, unhöflich zu werden. Dass diese Paradeskipper wirklich nichts von Seemannschaft wissen, zeigte sich bei der Ausfahrt: Es gab zwei Möglichkeiten, um eine vorgelagerte Insel herum zu kommen: eine sichere, etwas weitere und eine etwas kürzer scheinende, aber mit Untiefen versetzte. Die Deutschen nahmen natürlich die zweite Variante - und tapperten plötzlich sehr vorsichtig durch "vermintes" Gebiet. Wozu, um Himmels willen gibt es Seekarten? Und wenn man diese eingesehen hat, wählt man immer den sicheren Weg. Aber vielleicht lag hier noch einmal der unglaubliche Fall vor, wie wir ihn einige Häfen zuvor erlebten: deutsche Charterer erkundigen sich ganz beiläufig, wo es denn noch Häfen in der Nähe gebe, in welcher Himmelsrichtung die zu finden wären und wie weit es bis dahin sei. Wer so etwas fragt, offenbart, dass er unterwegs ist ohne Seekarte, ohne Hafen- und Revierführer und wahrscheinlich nicht einmal einen Autoatlas an Bord hat (beliebter Schwachsinn bei Motorbootfahrern: einfach die Straßenkarte aus dem Auto mit aufs Schiff nehmen - da stehen die Orte ja auch drin ....). Was sich mitunter im Seglerdorado Griechenland herumtreibt, ist nach den elementarsten Gesetzen oben erwähnter Seemannschaft manches Mal wirklich kaum zu fassen....

Aber dann waren wir "draußen", der Wind blies moderat aus einer guten Richtung und wir setzten unsere Riesengenua und das Großsegel. Prima lief´s und immer besser - der Wind nahm permanent zu, irgendwann wurde die Genua gerefft und als der Wind immer mehr von hinten kam, musste das Großsegel geborgen werden, da es nur noch der Genua den Wind wegnahm. Dafür wurde die Genua wieder etwas ausgelassen und mit 6 Bft. "achterlich" rauschten wir wie eingangs beschrieben, entlang des Golfs Richtung Trizonia. Viel hatten wir vom Charme dieses Inselchens gehört - und nichts war gelogen. Hier wird das Thema "Griechische Trauminsel, wie sich das Klein-Lieschen vorstellt" exemplarisch mit allen Details durchgespielt. Minidorf mit hübschen gepflegten Häuschen, Auto- und Mopet-frei, lauschige Plätzchen und freundlich grüßende Menschen allenthalben und eine kostenlose, allseitig sichere Marina gleich dabei. Seeeeehr schön - wir entschlossen uns spontan, einen Tag länger zu bleiben.

Nachtrag: Die Insel heißt "Trizonia", in Kiàto stand am Hafen ein Hotel "Triton". Beide Namen tauchen in einem wunderschön gestalteten französischen Science-Fiction-Comic auf, den ich mal beim "2001"-Verlag erstand. Hat der Autor hier Anleihen gemacht? Trizonia soll ja schon seit längerem Kult-Status besitzen.....