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Ein einsames Fischerboot auf dem abendlichen Messinischen Golf. Ansonsten tut sich noch nicht viel auf dem Wasser: außer einigen wenigen Frühstartern (nach unserer Beobachtung drei), die die erhöhten Marinagebühren ab 01. April umgehen wollten, bleiben noch alle Yachten im Hafen. Auch wenn wir nun eine Woche mit relativ schönem Wetter hatten, kommt der Frühling in diesem Jahr nur schwer in die Gänge...

 

Logbuch 30. März 2005

 

Am nebenstehenden Bild der Unity sind folgende Dinge zu beachten: 1. Zwei Rollfocks am Bug, 2. das neue große Sonnensegel, 3. Die neuen Segelkleider für die im letzten Jahr gekauften Segel. Punkt 2 und 3 gehen auf das Konto von Elisabeth, die an jedem schönen Tag am Steg oder auf der Heckterrasse saß und die Nähmaschine rattern ließ. Auch bei Punkt 1 hat Elisabeth entscheidend mitgewirkt: die kleinere "Kutterfock" schneiderte sie bereits im letzten Jahr aus der alten, aber überwiegend noch guten Arbeitsfock. Das Segel hat uns bereits gute Dienste getan und wird das mit frisch installiertem zweitem Rollreff wohl noch weit besser tun. Mein Teil der Arbeit ist handwerklich-technischer Natur und daher meist nicht sofort erkennbar: Eine neue "Eberspächer"-Dieselheizung mit Warmluftkanälen durchs ganze Schiff wurde installiert - Vorbereitung für die Fahrt gen Norden, die ja irgendwann (vielleicht im nächsten Sommer?) mal ansteht. Ansonsten eben die vielen üblichen Wartungsarbeiten und eine 5-fach-Klarlackierung für die Holzteile der "Trinity". Wieder einmal half uns bei technischen Dingen (Rollfock, Reffeinrichtung Groß und Besan, Heizung) Peter von der "Cats" mit Rat und Tat. Peters Hilfsbereitschaft haben einige Boote in der Marina viel zu verdanken. Wir versuchen ja ebenfalls zu helfen, wo wir können, aber Peter schlägt uns in dieser Sparte um Längen - schon alleine wegen seiner langjährigen Erfahrung und seinem technischen Know-How. So wurden die nicht allzu häufigen Sonnentage dieses Frühjahrs ausgiebig für Wartungsarbeiten genutzt. Vor allem, da Mitte April noch ein Besuch in Deutschland die Vorbereitungszeit verkürzt. Aber Ende April / Anfang Mai solls dann losgehen. Von Deutschland bringen wir uns noch ein neues UKW-Seefunkgerät mit - das alte funktioniert zwar noch, entspricht jedoch nicht mehr dem aktuellen "Standart" und am Thema Sicherheit wird grundsätzlich nicht gespart.

An dieser Stelle ein Lob an "SVB", den deutschen Spezialversand für Yachtzubehör. Die Jungs sind nicht nur freundlich, hilfsbereit und kompetent - sie denken auch wirklich mit: Bei der Bestellung des neuen Seefunkgerätes stellte sich das Problem, dass der Antrag zur Registrierung möglichst schnell gestellt werden musste. War aber kein Problem: Als Service ging wenige Tage nach der telefonischen Bestellung im Office unserer Marina das entsprechende Formular aus Deutschland ein und wir konnten es umgehend ausgefüllt und unterschrieben zur Registrierungsbehörde nach Deutschland zurückschicken. Wir hatten uns darauf gefasst gemacht, die Gerätenummer von den Schwiegereltern, zu denen das Gerät geliefert worden war, telefonisch erfragen zu müssen, da dieser Punkt mit SVB nicht detailliert besprochen worden war. War aber nicht nötig: SVB hatte mitgedacht und alles bereits auf dem Formular eingetragen. Die anderen Segler an unserem Steg waren zuvor gespannt, ob der Service wirklich so weit geht. Er ging! Mit solchen Aktionen macht eine Firma wahrscheinlich mehr Werbung für sich als mit jedem "Advertising"-Hokuspokus. Ausdrückliche Gratulation und ein Dankeschön an SVB und seine Mitarbeiter.

Sonne und Wolken im steten Wechsel - die dabei entstehenden Stimmungen beeindrucken uns immer wieder:

 

Besonders am Abend, wenn die tief stehende Sonne auf die verschiedenen Wolkenschichten trifft, bieten sich fast täglich grandiose Anblicke, die jedoch nur Minuten dauern: Die Abenddämmerung spielt sich in Minutenschnelle ab - danach wirds sofort duster und a....-kalt....

 

Seit dem letzten Logbucheintrag ist fast ein Monat vergangen. Ich habe mir das damals Geschriebene immer wieder durchgelesen, konnte aber nichts entdecken, hinter dem ich nicht stehen könnte, auch wenn mir bereits zum Jahreswechsel jemand, auf dessen Meinung ich stets etwas gab, mit leicht ironischem Lächeln (ich konnte mir sein Gesicht beim Verfassen der Zeilen ganz gut vorstellen) schrieb, ob meine Einträge nicht zuweilen "etwas emotional" wären. Hat er recht. Und eigentlich imponiert mir ja auch noch immer Helmut Schmidts "kühle Leidenschaft zur praktischen Vernunft". Bis zu einem gewissen Grade sind jedoch meine Einlassungen durchaus von einer bedachten Kalkulation geleitet: Wenn ein freischaffender Künstler, der "ganz weit draußen" auf einem Boot in Griechenland dümpelt, sein Nachdenken nicht in engagierter Kritik ausdrücken kann - wer dann? In der Bibel, die bei aller Kirchenkritik noch immer eine der maßgebenden Grundlagen meines Denkens und Handelns ist, steht: "Oh, wenn ihr doch heiß oder kalt wäret! Weil ihr aber lau seid, will ich euch aus meinem Munde ausspeien." Nicht alles, was ich schreibe, mag politisch korrekt sein (hoffentlich NICHT) und es mag tiefere Zusammenhänge geben, in deren Licht man zu anderen Ansichten gelangen kann. Aber letztendlich denke ich, dass einige Dinge auch ohne dezidiertes Studium der Theologie, Philosophie oder Politologie konstatiert werden können, vielleicht sogar mit unverstellterem Blick (ich habe dieses Thema bereits im Text "Der geistige Fahrtensegler" etwas ausführlicher überdacht) . Wenn ein Apfel vom Baum fällt, kann ich auch ohne detaillierte Kenntnisse Newtonscher Gesetze darüber nachdenken, warum das passierte. Hat ein Lausbub den Apfel herunter geschlagen? Ist Erntezeit? Ist der Apfel faul, der Baum krank? Übertragen auf dieses zugegebenermaßen simple (und per se hinkende) Beispiel erscheint es mir heute manchmal so, als ob den Menschen mit fadenscheinigsten Begründungen erklärt werden müsste, warum manche Äpfel naturgemäß nach oben fallen. Ich bin geneigt, manches zu glauben, was mein schwacher Verstand nur als "wahrscheinlich" annehmen kann und von dem ich einen größeren oder kleineren "Rest" einfach akzeptieren muss. Dazu gehören jedoch nicht die Resultate sehr menschlicher Dummheit, Gier, Faulheit und Arroganz, die täglich das uns beeinflussende Geschehen bestimmen. Vielleicht sind zu viele Menschen in Deutschland über zu lange Zeit zu lau gewesen - und ich schließe mich hierbei nicht aus. Wer Lust hatte und fähig war, machte was ihm passte und der Rest der Bevölkerung machte es sich vor dem Fernsehgerät bequem. Dazwischen erhob sich die Kaste der "Klassensprecher". Um zu erklären, was ich damit meine, erlaube ich mir eine Anekdote aus meiner Schulzeit:

Im Folgenden noch ein paar Spots von unseren Spaziergängen: Oben: Ein Frachter aus Panama läuft nebenan im Handelshafen ein.

 

Meine ersten Gymnasialjahre verbrachte ich an einem richtig netten Kleinstadt-Gymnasium mit Schülern aus allen Bevölkerungsschichten vom Arbeiterkind bis zum Professorensohn und Lehrern die uns mit milder Strenge mehr oder weniger gebildet, aber überwiegend sympathisch, beibrachten, was der Lehrplan eines humanistisch - naturwissenschaftlich orientierten Gymnasiums vorsah. Zum Beginn jedes Schuljahres oblag es der Klasse, einen Klassensprecher zu wählen und es wurde stets der Fähigste (ich war´s leider nie...) ausgesucht, für den dieses Votum eine Ehre bedeutete und der uns mit mehr oder minder ersichtlichem Stolz und im Gefühl des auf ihn gesetzten Vertrauens in der Schülermitverwaltung und bei individuellen Anliegen gegenüber Lehrerschaft und Direktorium vertrat. Nach dem frühen Tod meines Vaters wechselte ich auf ein Internat. Da die Internatsgebühren monatlich das Bruttoeinkommen eines kleinen Angestellten erreichten, war die "Elitedichte" signifikant höher als auf dem zuvor besuchten Kleinstadtgymnasium. Zum Schuljahresanfang gab es für mich gleich eine Überraschung, die sich als symptomatisch herausstellen sollte: Der Lehrer verließ das Klassenzimmer, damit wir "entre nous" einen Sprecher wählen konnten und es passierte etwas für mich Neues: Der "Platzhirsch" wurde nicht etwa zum Klassensprecher gewählt, sondern lümmelte sich relaxed zwischen der attraktivsten Schülerin der Klasse und seinem Busenfreund, während er, bevor noch jemand einen anderen Vorschlag machen konnte in Richtung des Schwächsten (der Schüchterne, Schmächtige, Unbeholfene mit der dicken Brille) rief: "XY, du machst den Klassensprecher, sonst gibt´s was auf die Schnauze!". XY errötete vor Verlegenheit, traute sich jedoch nicht, zu widersprechen, sondern stümperte mit stolzgeschwellter Brust herum und machte im folgenden Schuljahr den Laufburschen, wenn die Klasse wieder etwas verbockt hatte oder keine Lust verspürte, diese oder jene Klassenarbeit zu schreiben. Was ansonsten in unserer Klasse "abging", darauf hatte er wenig Einfluss.

Sobald das Wetter schön ist, wuselt "Tout Kalamata" umgehend durch die Cafes der Hafenpromenade

 

Ich schwang mich am Wochenende auf mein Rennrad, während meine Klasskameraden mit Luxuslimousinen und Hubschraubern nach Hause gebracht wurden und wusste nicht so recht, was ich von all dem zu halten hatte. Später begann es mir zu dämmern. Und ich begriff auch, dass unsere Generation wohl die erste in der Geschichte der Republik ist, die von "Klassensprechern" der zuletzt beschriebenen Art regiert wird. Die "Platzhirsche" haben sich auf gut dotierte Posten zurückgezogen, die "Klassensprecher" dillettieren im Hochgefühl der vermeintlich verliehenen Macht, lecken an den Stiefeln der Platzhirsche und sind doch unfähig, etwas für die Mehrzahl derer zu tun, für deren Geschick sie mit verantwortlich wären. Ich kann mir Fischer, Koch, Merz und Merkel so recht vorstellen, wie sie vor ca. 30 Jahren den Klassensprecher gaben - und diese Rolle bis heute beibehalten haben. Grund zur Häme gibts aber nicht. Jeder von "uns anderen" hat zugelassen, dass es so kam. Aus Bequemlichkeit, Desinteresse und/oder Arroganz. Ob wir "lieber" Karriere machten, oder im Privaten absackten, spielt dabei keine Rolle. Wir haben die Politiker, die wir verdienen. Entsprechend stellt sich das Desaster nun auch dar.

Osterregatta der "Optimisten" und "Laser" in der geschützten Bucht seitlich des Hafens

 

Es ist sicher einfacher, sich mit einem (noch) relativ wohlhabenden Land im Rücken auf internationalem Parkett zu produzieren, als, ebenso sicher, nicht einfache "Hausaufgaben" in der heimischen Wirtschafts-, Sozial- und Gesellschaftspolitik zu erledigen. Und im Bemühen, irgendeinen Nachweis für ihre Daseinsberechtigung zu erbringen, wählten "unsere" Politiker eben, was ihnen am meisten "Spaß" machte und ihnen gewisse Lorbeeren einzubringen versprach. Kann man es ihnen verdenken? Ich meine: Aber JA! Diese Politiker haben in ihrem Amtseid versprochen "Schaden von der Bundesrepublik Deutschland abzuwenden" - der Flurschaden, den sie demgegenüber angerichtet haben, gibt daran gemessen für ihren Charakter und die Beurteilung ihrer Befähigung kein allzu schmeichelhaftes Zeugnis ab.
Ruinen sind in Griechenland allgegenwärtig. Nein, nicht die sattsam bekannten einer längst untergegangenen Kultur. In Griechenland werden Ruinen "am Fließband" produziert: Links und Mitte ein riesiges Lagerhaus vom Ende des 19. Jahrhunderts am Handelshafen von Kalamata, 100 Meter entfernt ein aktuell errichtetes Skelett, das nun auch bereits seit mindestens 2 Jahren als riesige halb fertige Bauruine existiert (rechts). Wer die ästhetischen Momente darin erkennt, kann dem sogar etwas abgewinnen...

 

Es war eines meiner dezidierten Ziele, als wir uns mit der "Unity" aufmachten, "mal raus" zu kommen, um Abstand, Zeit und Muße zu gewinnen. Da gab es persönliche Dinge, die bedacht sein wollten, aber daneben auch immer wieder die Gesamtsituation in Deutschland aus der wir kommen und in die wir wohl auch wieder zurückkehren werden. Ich denke, wir werden, verglichen mit unserem Aufbruch vor nun fast drei Jahren, in vielerlei Hinsicht mit einem veränderten Blickwinkel zurück gehen. Der Blickwinkel erweitert sich einerseits, andererseits fokussiert er sich aber auch auf den Kern vieler Sachverhalte. Ob ich allerdings jemals wieder eine "Talkrunde" im Fernsehen anschauen kann, ohne zur Axt zu greifen, wage ich noch nicht mit Sicherheit vorher zu sagen.... ;-)

Aber es steht zu hoffen, dass mir zur Erlangung der Gnade altersweiser Gelassenheit noch ein paar Jahre bleiben....

 

Heute in der Rubrik "Das Letzte":

Elisabeth hat´s mal wieder geschafft: Da war soooo ein süßer Streuner, wir müssen in 10 Tagen noch mal zurück nach Deutschland und dann rief auch noch eine Familie aus Düsseldorf an, die den Knaben haben wollte. Also: Tierärztliche Untersuchung, Impfung, Entlausung, Wurmkur, Striegeln und die Anmeldung bei der Tierhalter-Haftpflichtversicherung. Dann darf er eben in ein paar Tagen im Wohnmobil mitfahren und bekommt, was für griechische Hunde den "Sechser im Lotto" bedeutet: Menschen, die ihn mögen und versorgen, sprich: ein Zuhause. Der Kleine ist aber auch wirklich hübsch mit seinem seidenweichen Fell, sehr lieb, verschmust und anhänglich. Auch am Steg hat er sich bereits Freunde gemacht. Auch wenn er für die restlichen Tage bis Deutschland in einer provisorischen Hundehütte (Foto oben rechts) auf dem Steg gegenüber der "Unity" kampieren muss, geht´s ihm damit schon deutlich besser als seinen Artgenossen "auf freier Wildbahn": gefüttert, gepflegt und mit "Streicheleinheiten" versehen, bewegt er sich nicht mehr vom Fleck. Pia schätzt den Spielkameraden, ist jedoch vor lauter Eifersucht sicher auch froh, wenn er wieder "weg" ist....

Und das Allerletzte:

Hilfe, mein Dinghi bringt mich um!
 

In einem spontanen Entschluss absolvierte ich das "Ansegeln" in diesem Frühjahr mit unserem Tender "Trinity". Ging ganz prima, auch wenn die Wellenhöhe deutlich über einen halben Meter erreichte. Bis ich wieder zurück in den Hafen wollte: Der Wind hatte nachgelassen, die Welle aber war immer noch da. Prompt gelang keine Wende mehr "durch den Wind" und das Halsen bei der hohen Welle war nun auch nicht eben spaßig. Elisabeth dokumentierte meinen heroischen Kampf von der Hafenmauer herab: "Der mittelalte Mann und das Meer" ...oder so...