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Links: Die imposante
Hängebrücke über den Golf von Patras im Abendlicht. |
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Logbuch 26.
April 2005
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Zwei Wochen
waren wir noch einmal in Deutschland. Hauptsächlich aus
beruflichen Gründen, aber es blieb doch genug Zeit, auch
wieder ein paar Freunde zu besuchen. Jetzt zieht es uns aber
wieder zurück nach Kalamata: Die See, bzw. der kommende
Segelsommer bzw. die Ägäis rufen unüberhörbar. Elisabeth
hat sich zwar noch schnell im kühlen deutschen Frühling
einen kräftigen "Fnupfen" eingefangen und umgehend
an mich weitergereicht, aber das gibt sich wohl bei lokalen
25° auch schnell wieder. |
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Auf der Fähre Venedig-Patras
nach unserem kurzen Heimaturlaub. Die See ist ca. 2-3 Meter hoch, was
jedoch nicht sonderlich stört – es ruckelt halt ein bisschen auf dem
Riesenkahn. Ansonsten haben wir einen Logenplatz an der großen Öffnung
des „Open Deck“ mit Blick auf eine See, die wir im derzeitigen Zustand
nur ungern mit der Unity befahren würden. |
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Unsere Rückreise über den
Brenner wurde von einem Phänomen begleitet: Stell dir vor, du fährst weg
aus Deutschland – und alle kommen mit! Als wir spät abends auf den
Parkplatz am Brenner rollten, war der dicht an dicht mit deutschen
Wohnmobilen bestückt. Die offensichtlich einen horrenden Preis für die
kurze Benutzung von 15 Quadratmeter Asphalt zu zahlen bereit waren. Waren wir
aber nicht. Eine Autobahnausfahrt weiter strebten wir in Sterzing zum
Industriegebiet – generell inzwischen unser absoluter Geheimtipp.
„Industrie“ ist ja so sauber geworden in diesen Zeiten: Gepflegte
Rasenflächen mit blitzblanken Hallengebäuden. Viel Platz um unser
Wohnmobil zu parken, nachts und am Wochenende mäuschenstill. Und in
Sterzing gabs sogar noch den beruhigend plätschernden Wildbach gratis
dazu. |
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Am
nächsten Morgen setzte sich das deutsche Ausreisephänomen auf der
Autobahn fort: Fast alle Fahrzeuge in südlicher Richtung hatten deutsche
Kennzeichen. Wir waren nun definitiv davon überzeugt, dass es unsere
Regierung endlich geschafft hat, die Bürger mit ihrer lausigen Politik
massenhaft in die Flucht zu schlagen. Oder hat Kanzler Schröder
inzwischen eine befruchtete Eizelle geheiratet, weil ihm seine Doris schon
wieder zu alt war? Oder hat Außenminister Fischer mit seinem
autokratischen Führungsstil die Grünenfraktion mit dem Dekret „Les
partis – c´est moi“ zur Monarchie erklärt und zur
„Demokratiefreien Zone“ umgewandelt? Zwischen Bolzano und dem Gaggasee
lieferte uns der zufällig eingeschaltete Sender „Radio Maria Südtirol“
(gibt’s wirklich – dahinter steckt Radio Vatikano) die Messe zur
Amtseinführung Papst Benedikts alias Ratzingerjoseph mit brüchig
intonierten Litaneien und deutschem Kommentar direkt ins Cockpit des
Wohnmobils. Und danach die Aufklärung der deutschen Massenbewegung auf
der italienischen Autostrada: Am nächsten Tag will Ratzi alle deutschen
Pilger persönlich begrüßen! Auf nach Rom, Papst glotzen! Habeamus papam
germanicum! Darüber muss man sich doch ganz handfest vergewissern. |

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Oben und Folgende: einige
Bilder von Venedig. Die Fähre durchquert spektakulärer weise auf dem Weg
vom Hafen zum offenen Meer das historische Stadtbild und man hat eine
exklusive Sicht auf die Dächer und in die Kanäle, wie sie sonst keinem
Besucher der Stadt geboten wird. Wann schwimmt auch ein zehnstöckiges
Hochhaus durch die Gegend? Alleine diese Aussicht ist eigentlich schon den
"Eintrittspreis" von 400 Euro wert.
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Am nächsten Parkplatz
schwappte denn auch prompt eine Welle heiligmäßiger Begeisterung über
uns herein. Wildfremde Menschen grüßten uns herzlich – wir waren als
Pilger integriert. Was sollten wir tun? Den Leuten ihre Freude an „uns
Ratzi“ verderben, indem wir schreien „Wir sind´s nicht, außerdem
sind wir protestantisch und biegen bei Verona links ab nach Venedig!“?
Im Rasthauskiosk sprang uns schon vor Tagen die Schlagzeile der BILD
entgegen: WIR SIND PAPST! Na wenn „wir“ zur Zeit wirtschafts- sozial-
und wertemäßig aus dem letzten Loch pfeifen und letztes Jahr auch kläglich
bei der Fußball-WM versagt haben, rächen wir uns jetzt eben auf diese
Weise. Sind wir eben Papst – auch nett. |
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Dachte sich wohl auch die
deutsche Bundesregierung. Bei ihrer Amtseinführung kollektiv und großspurig
auf Gottes Hilfe pfeifen, aber jetzt mit fliegenden Fahnen auf nach Rom.
Noch Einer, der offenbar erfolgreich geschrieen hat „Ich will hier
rein!“ – Schröder muss vor brüderlichen Empfindungen halb von Sinnen
gewesen sein. Anders ist sein Kotau wohl auch nicht zu erklären. Man
stelle sich vor: Generell erkläre ich die spirituellen Grundlagen unserer
Kultur als gequirlte Scheiße und bei nächstbester Gelegenheit weiß ich
nichts Eiligeres zu tun, als dem Oberquirl meine ehrerbietigste Reverenz
anzutragen. Im pas de deux mit Sponti-Fischer. Dieses Gespann tut
anscheinend wirklich alles für ein paar Populismuspunkte. Nachdem
Waisenkinder und Hunde abgegrast sind, muss jetzt halt der Papst dran
glauben. Als ob der nicht schon genug zu glauben hätte. Zuhause wurde
derweilen der sechzigste Jahrestag der Befreiung der KZ-Opfer begangen.
Fischer ließ sich im Bayerischen Rundfunk ausdrücklich entschuldigen. Er
wäre ja so gerne zur Gedenkfeier gekommen, aber, Sie verstehen .... der
PAPST .... ! Realsatire pur. Wenn die Tendenz so weitergeht, bekommen wir,
was Rückgrat und Charakter betrifft, als nächste Regierung ein Kabinett
von Regenwürmern. |
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Die
BILD hat uns auf dieser Reise treu von Kiosk zu Kiosk mit ihren
Schlagzeilen begleitet (auch wenn wir uns dem Ankauf des Blättchens
weiterhin standhaft verweigern). Nach „WIR SIND PAPST!“ folgte
„PFUI, ENGLISCHE PRESSE DENUNZIERT RAZI ALS HITLERJUNGEN!“. Na und?
War er doch auch. Und wie „wir alle“ natürlich erklärter maßen
gegen seinen Willen. „Nationalsozialismus“ war unserer
Elterngeneration, was uns selbst Mac Donalds ist: Keiner geht hin, aber
irgendwie brummt der Laden. Noch ein Phänomen. Aber vielleicht steckt ja
nur schierer Pragmatismus dahinter: Man stelle sich vor, die deutsche Bevölkerung
wäre damals kollektiv der „Weißen Rose“ beigetreten – das hätte
die doch schon rein organisatorisch gar nicht mehr gebacken bekommen -
muss man doch mal vernünftig sehen. Außerdem: Die katholische Kirche
schließt mit den Nazis pompöse Verträge und jung Ratzinger stänkert
dagegen? Undenkbar! Dann wär´s heute wohl nix mit „WIR SIND PAPST“. |
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Immerhin: Ein Grieche hät´s,
anders als bei der Fußball-WM (s.o.), nicht werden können. Ätsch. Warum
haben die auch die falsche Sorte Frömmigkeit. Aber angesichts der Schröderschen
Papstbegeisterung sind in Deutschland nun vielleicht doch griechische Urständ
zu erwarten: Kein griechischer Politiker würde sich wagen, auch nur ein
Klohäuschen einzuweihen ohne den Beistand eines Popen. Demnächst in
diesem Theater: Der Bundeskanzler bittet Kardinal Lehmann um geistlichen
Beistand bei der Einweihung von Doris´ neuem Hundesalon. BILD titelt:
NACH DER ABWAHL INS KLOSTER? DORIS TRÖSTET SICH MIT HUND SCHNURPSI. Übrigens:
Um zu verhüten, dass schon wieder jemand was Gemeines über seine (betont
farblosen) Haare schreibt, ließ die Pressestelle des Kanzleramtes
verlautbaren, dass Herr Schröder NICHT beabsichtigt, sich eine Tonsur
schneiden zu lassen. Aber dass Schröder für ein paar Wählerstimmen mehr
als der „allerkatholischste“ Kanzler in die Geschichte der Republik
eingehen will, ist bis jetzt noch nicht dementiert. Bundestagspräsident
Thierse hat immerhin schon mal hinter seinem Bart ein "katholischeres
Deutschland" angemahnt. Oh je .... |
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Und das Letzte: Entgegen
unserer üblichen Präferenzen fahren wir dieses Mal mit einer Fähre der
„Minoan Lines“. An Bord dieser Linie ist die
Informationsgesellschaft mit aller Macht ausgebrochen. Seitenlange
Wandzeitungen informieren über alle möglichen „to dos“ und „not to
dos“. In lustigem Deutsch (Becrieb den Automotoren während den
Secreisen verboten). Dazu Ansagen. VIELE Ansagen. Vom frühen Morgen bis
spät in die Nacht. Jeweils nacheinander in Griechisch, Italienisch,
Englisch und Deutsch (obwohl außer dem Personal kein einziger Grieche
oder Italiener an Bord war). Wann das Self-Service-Restaurant geöffnet
wird, wann das Schiff ablegt, wo die Rettungswesten sind, dass das
Self-Service-Restaurant nur noch eine halbe Stunde geöffnet ist, das
genaue Alter der Klofrau, was der Bordkiosk im Einzelnen anbietet, dass
der Kapitän Zahnschmerzen hat, wo sich das Bordkasino befindet, die
Telefonnummern aller Stewardessen, wann die Borddiskothek öffnet, welche
Fahrer welcher Wagen mit welchen Autonummern sich an welcher Rezeption zu
melden haben, wie lange wir noch unterwegs sind. Undundund. Alles immer in
vier Sprachen. Alles aus kleinen Blechtütchen, die die Sprache so
verzerren, dass wir selbst beim deutschen Teil raten müssen. Aber laut.
Man würde am liebsten die Rezeption stürmen und zumindest dem Mikrophon
ein bisschen Gewalt antun. Jetzt lassen wir schon das Radio nicht
durchdudeln, da erwischt uns kalt eine geschwätzige Stewardess. Das Leben
kann ganz schön unfair sein. |

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Noch ganz schnell das
Allerletzte: Was "nun mal im Ernst" den neuen Ratzi-Papst
betrifft, sind wir so ambivalent wie unser Lieblings-Kathole Prof. Küng.
Warum fiel die Wahl denn nicht auf den netten Kardinal Lehmann? Das wäre
doch ein richtiges Schätzchen, verglichen mit dem dünnlippigen Ratzi.
Merke: Schätzchen mag die Kurie augenscheinlich nicht besonders - etwas
unsympathisch verbissen, wie viele Altherrenclubs eben. Doch nicht alles,
was Benedikt so vom Stapel lässt, ist gänzlich abzulehnen. Aber kann er
über den Schatten des Ratzingers springen? Für das gesegnete Alter von
79 Jahren wäre das eine bemerkenswerte Leistung mentaler, geistiger und
geistlicher Sportlichkeit. Herr Drewermann meldete sich dann auch noch zu
Wort und laberte was von "kaltem Hauch" oder so. Emotional
unqualifiziertes Gesäusel eben - Klappe, Eugen! Selbstvermarktung
persönlicher mentaler und theologischer Gebresten braucht das Land zur
Zeit so sehr wie der Außenminister einen fetten Schweinshaxen mit
Semmelnknödeln satt. |
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