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Nidri, 29. Juli 2004

Nidri "revisited" und nett ist´s. "Alte Bekannte" vom letzten Jahr werden begrüßt, die Temperaturen sind moderat, da bleiben wir ein paar Tage. Wie geplant, sind wir noch einmal im Ionischen Meer unterwegs. Für die Ägäis war´s in diesem Jahr zu spät - ab Anfang Juli bis Ende August bläst der Meltemi wo nicht lebensgefährlich, so doch recht lästig und gebiert dazu noch Monsterwellen. Nichts für unsere "Gartenlaube" beziehungsweise für uns Früh-Reffer, Stark-Lage-Vermeider, Wettervorhersage-Einholer und als was uns so ein Charterer noch bezeichnen würde, der bei Windstärke 7 mit Vollbesegelung an uns vorbeifetzt. Gestern Abend im Hafen Lefkas klagte uns eine Rechtsanwältin aus Wien vom Cockpit des Nachbarbootes aus ihr Leid: Ein etwas taddriger Mitt(End-?)-Sechziger will´s noch mal wissen und ehelicht eine erheblich jüngere Gattin mit zwei Teenager-Söhnen. Diese dürfen sich dann austoben und die 44-Fuß-Yacht bei Schwerwetter als Rennjolle benutzen, während der Alte wegschaut und den nächsten eisgekühlten Weißwein köpft. Unsere Anwältin ist irgendwie auch auf dieses Boot geraten und starb vor Angst tausend Tode. Wir rieten dazu, von Bord zu gehen, da es da gar nichts Seemännisches zu diskutieren gibt. Da liegt ein ganz allgemeines menschliches Problem vor, wenn ein alter Knacker der Junggattin noch mal seine Virilität beweisen muss und sich den pupertierenden Söhnen damit anbiedert, dass sie Materialschäden (Überlastung des Riggs) an der Mietyacht anrichten und die an Bord befindlichen Menschen gefährden dürfen. Wenn wir die Harakiri-Aktionen mancher Charterer beobachten, schwant uns des öfteren, dass das mehr mit persönlichen Defiziten (Profilierungssucht, falscher Ehrgeiz, Angebertum) denn mit sportlichen Ambitionen zu tun hat. Weil "Sport" eben auch bedeutet, Regeln einzuhalten. Und auf dem Meer gebietet die elementarste Grundregel, niemanden mutwillig zu verletzen, zu behindern oder gar zu gefährden. Aber warum sollten sich Menschen daran halten, die auf der heimatlichen Autobahn rasend und drängelnd jeden Tag Menschen gefährden und behindern?
Bild rechts: wenn es vor der leeseitigen (windabgewandten) Tür des Ruderhauses mal so aussieht, bedeutet das Starkwind, ordentlich Welle, Lage jenseits der 10 Grad-Marke - und dass nach dem Foto diese Tür eilends wieder geschlossen wurde. Nein - wir haben absolut nichts dagegen, ab und zu einmal auszuprobieren, was unsere Unity so drauf hat (Höchstmarke unter Segeln bisher: ca. 7,5 Knoten). Aber immer mit genügend Sicherheitsreserven und höchster Aufmerksamkeit. Ansonsten segeln wir im Normalfall von 4 Windstärken an aufwärts mit 4-5 Knoten. Nicht mehr, nicht weniger. Wenn der Wind weiter auffrischt, wird gerefft. Unangestrengtes Fahrtensegeln eben. Erst wenn der Wind über 6 Windstärken auffrischt, werden wir schneller - weil wir eben kein kleineres Segel als unsere Sturmfock haben. Und wenn wir mit diesem Handtuch am hinteren Vorstag über 6 Knoten schnell sind, dann ist wirklich Starkwind angesagt. Wohlgemerkt: alles ohne Motor! Der wiederum bescherte uns eine freundliche Überraschung:

Zum ersten Mal konnten wir beim Nachtanken (ist bei 600 Liter Dieseltanks und unserem Spritverbrauch (>>) ein eher seltenes Ereignis) anhand der Betriebsstunden den wahren Verbrauch unserer Maschine ausrechnen. Heraus kam fast Sensationelles: Wir sind im Schnitt mit 1,08 Litern pro Betriebsstunde unterwegs! Das bedeutet einen durchschnittlichen Verbrauch von ca. 13 Litern auf 100 Kilometer zurückgelegte Strecke bei reiner Motorfahrt. (Motoryachten brauchen teilweise mehrere hundert Liter pro Betriebsstunde). Wenn wir jetzt zugrunde legen, dass wir, wo immer es geht, die Segel setzen, ergibt sich als durchschnittlicher Törnverbrauch pro zurückgelegter Strecke der Wert eines Kleinwagens. Bei einem Gesamtgewicht der Unity von ca. 10 Tonnen ein recht ordentliches Ergebnis - finden wir ... Dass der Dieselpreis in Griechenland bei 78 Cent liegt, erfreut die Bordkasse zusätzlich.

Natürlich muss dazu gesagt werden, dass wir auch bei Motorfahrt, wie beim Segeln (s.o.) keine falsche Hektik aufkommen lassen. Gelobt sei der gemütliche "Langhuber"-Diesel unseres Schiffs: Er entfaltet bereits bei niedrigen Drehzahlen eine Kraft an der Welle, die für 4-5 Knoten reicht. Und das wiederum reicht uns (meistens). Schon bei ca. 6 Knoten Geschwindigkeit ist der 3-4-fache Verbrauch fällig. Gut zu wissen, dass wir, falls notwendig, bis über 9 Knoten schnell sein können. Nur - "notwendig" wird das fast nie: dass wir in schweres Wetter kommen, wird durch sorgfältige Wetterkunde wenn möglich vermieden und eilig haben wir es meistens nicht: Wir wählen unsere Distanzen und/oder unsere Aufbruchszeiten so, dass wir auch bei gelassener Fahrt rechtzeitig im nächsten Hafen sind. "Draußen" genießen wir die Stille und Weite zutiefst, was gar nicht möglich wäre, wenn das Schiff mit starker Lage und/oder hochdrehendem Motor unterwegs wäre.

So gesehen erscheint uns der Anblick gelangweilter Crews im Hafen immer etwas unverständlich: warum haben sie nicht mit etwas mehr Gelassenheit die Fahrt genossen? Ziemlich ähnlich geht´s wohl vielen Menschen mit ihrem ganzen Leben: sie meinen mit ihren Lebenszielen immer, dringend irgendwo hin kommen zu müssen. Zum nächsten Karrieresprung, zum Eigenheim, zum Ferienziel... Und wenn sie dann da sind, wissen sie nicht wirklich etwas mit sich anzufangen. "...bin weit gekommen - doch was will ich hier?". Und oft geht´s "sportlich-ehrgeizigen" Crews nach hektischer Sturmfahrt, wie es Voltaire kurz, lakonisch und sehr treffend beschrieben hat: "Sie kamen an - doch in welchem Zustand.....". Voltaire war nun nach meiner Kenntnis kein begeisterter Segler - also muss es auch im "normalen" Leben recht gute Parallelen geben, deren Interpretation ich an dieser Stelle dem geneigten Leser dieser Zeilen überlassen möchte ...

Ansonsten ist noch zu vermerken, dass ich für die neue Rubrik "Stichworte" in den letzten Tagen drei Texte zu diesen Themen verfasst habe: Ernüchterndes zur Batterieladung, Subjektives über Griechenland, Übertriebenes über Charterskipper.

 

Das Letzte: Ein Hundeleben ....

Bilder aus der zuletzt besuchten Ankerbucht: Ein Hundeleben - jeden Tag wird man mehrmals ans Ufer chauffiert, um seine "Geschäfte" zu verrichten und die Beinchen vertreten zu können. An Bord wartet dann das Vier-Gänge-Menü mit Quellwasser und drei Sorten Futter. Der Rest der Crew gibt sich einstweilen mit Salat und Käsebrot zufrieden ....