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21. Mai 2004 * Aegina Hafen * Insel Aegina * Die Fahrt hierher begann sehr unangenehm. Wir verließen den Hafen von Poros am 19. Mai um 9:50 und querten die an den Hafen anschließende Bucht mit Kurs auf die Meerenge, die sich Richtung Aegina öffnet. Als wir fast am Leuchtfeuer waren, das den Eingang zur Durchfahrt markiert, kam eine riesige Fähre mit so großer Geschwindigkeit aus der Durchfahrt, dass sie sich bei einem extremen Kurswechsel in Richtung Poros bedenklich zur Seite legte. Da wir uns auf geradem Kurs vom Hafen zur Durchfahrt bewegten, konnten wir davon ausgehen, dass die Fähre, wie es die allgemeinsten und grundsätzlichsten Regeln der Seefahrt vorschreiben, an unserer linken Seite passieren würde. Dann passierte etwas, für das es verschiedene Erklärungen gibt, nur keine gute. Das Schiff drehte immer stärker in unsere Richtung. Also wichen wir immer mehr nach rechts aus, auch wenn wir damit näher ans Land kamen, als uns lieb war. Gleichzeitig kam das Riesenschiff in der Höhe eines zehnstöckigen Hauses mit höchster Geschwindigkeit näher - alles passierte in Minutenschnelle. Wir wichen immer mehr nach rechts aus, die Fähre folgte unserer Drehung mit dem Bug so schnell, dass wir zuletzt, als das Schiff nur noch wenige Meter vor uns aufragte, mit voller Kraft im rechten Winkel weg von der Fähre flohen. Hätten wir keinen starken Motor mit 80 PS gehabt, wären wir unweigerlich von dem Schiff überrollt worden. Gesehen wurden wir offensichtlich, hoch oben auf der Brücke stand deutlich sichtbar ein Offizier an der Fensterfront. Nachdem uns die Fähre im Abstand von wenigen Metern passiert hatte, konnte wir gerade noch eine Drehung von ca. 150 Grad fahren, um unseren Bug gegen die aus nächster Nähe anrollende riesige Bugwelle des Riesenschiffs von über 2m Höhe zu stellen. Erklärungsversuche: 1. Der Autopilot oder die Steuerung der Fähre spielte verrückt (darf eigentlich nicht vorkommen und sollte ggf. sofort per Handsteuerung korrigiert werden), 2. Der Kapitän kennt die elementarsten Seefahrtsregeln nicht, 3. Die gelangweilten Offiziere erlaubten sich ein "Späßchen" mit einer Yacht (das ganz knapp an einem für uns mit größter Sicherheit tödlichen Desaster vorbeiging), 4. Der Autopilot der Fähre war auf einen viel zu nahen Kurs zum Land programmiert, um entgegenkommenden Schiffen ein genügendes Freihalten vom Land zu erlauben und die Besatzung sah, auch als augenscheinlich unser Leben bedroht war, keinen Grund, eine Korrektur am Kurs vorzunehmen. Aus den Erfahrungen unserer bisherigen Reisen neige ich nach vielen negativen Erlebnissen dazu, viele Skipper von Motoryachten in ihrem Verhalten auf See und im Hafen als allgemeingefährlich und extrem unseemännisch einzustufen (pardon - aber das allgemeine Verhalten lässt oft keinen anderen Schluss zu). Augenscheinlich potenziert sich das mit der Größe des motorgetriebenen Wasserfahrzeugs zu mörderischen Perversen ohne die geringsten Skrupel. Wir werden diesen Vorfall wahrscheinlich offiziell zu Protokoll geben, da wir mit der Besatzung der Cats, die ca. eine halbe Seemeile hinter uns fuhr, exzellente Zeugen haben, die den Vorgang bis ins Detail genau beobachtet haben. (Grafik des Ablaufs

Ansonsten ist es ganz nett hier. Städtchen und Hafen sind hübsch anzuschauen, man bekommt in den Läden von Lebensmitteln bis Bootsequipement fast alles. Wasser kann man zwar vom selten auftauchenden "Wassermann" beziehen oder ganz einfach gratis von einem wenige Schritte entfernten Brünnlein, unser Generator liefert so viel Strom, dass wir den Nachbarn noch was abgeben können. An der Promenade ist es recht laut, da sie gleichzeitig auch die Hauptdurchgangsstraße darstellt. Aber dafür haben wir rund um die Uhr "Hafentheater" gratis.  Heute hatten wir zwei Nachbarn, die ebenfalls dem Seglerverband "Trans Ocean" angehören. Schnell waren auch gemeinsame Freunde gefunden: Mal wieder Peter und Heide von der Cats, die nach einem Abstecher erst am Sonntag Nachmittag hier eintreffen und sich bereits offensichtlich über Funk nicht nur mit uns, sondern auch mit den beiden anderen Booten verabredet haben. Die Beiden sind nach 30 Seglerjahren in der Szene eben bekannt wie der berühmte "bunte Hund". Peter hat inzwischen das Internet entdeckt und wir haben ihm bei der Gestaltung und Einrichtung seiner ersten Seiten geholfen. Zu besichtigen unter * www.sy-cats.de.vu *. Über die "Trans-Ocean"-Mitgliedschaft noch ein paar Sätze: Wir sind dem Verein bei Antritt unserer Reise beigetreten, weil wir noch nicht viele Erfahrungen als Fahrtensegler gesammelt hatten und uns bei eventuell auftretenden Fragen etwas Rat und Hilfe erhofften, vielleicht auch etwas Austausch innerhalb einer Seglergemeinschaft beim gelegentlichen Zusammentreffen in Häfen. "Trans Ocean" ist nach eigenem Verständnis ein (deutscher) "Verein zur Förderung des Hochseesegelns", hat mehrere Tausend Mitglieder weltweit und unterhält an einigen Ecken der Welt Stützpunkte, die Mitgliedern mit Rat und Tat weiterhelfen sollen. Zu den Mitgliedern ist zu sagen: Wir haben noch keine sympathischen Menschen unter dem Trans Ocean-Wimpel getroffen. Hilfsbereite schon gar nicht. Beispiel: Wir gaben an das Trans Ocean-Boot, das in Aegina neben uns lag, ungefragt Strom von unserem Generator ab. Als Dankeschön wurde hochnäsig-oberlehrerhaft an unserer Bootsbeschriftung herumgemeckert (inzwischen geändert). Dass wir daraufhin am nächsten Tag nicht ausdrücklich dazu einluden, unseren Generator wieder mitzubenutzen (ehrlich gesagt, vergaßen wir es einfach über unserer Arbeit am Computer), wurde uns aber mit beleidigtem Schweigen bis zur Abreise quittiert. Auch ansonsten machten wir während unserer Reisen die Feststellung, dass wir zwar oft sehr schnell Kontakt zu freundlichen und interessanten Menschen aus aller Herren Ländern hatten, eine gemeinsame "Trans Ocean"-Mitgliedschaft aber anscheinend weniger als nichts bedeutet. Die Mehrheit der "T.O."-Mitglieder scheint sich als sehr elitärer Verein zu empfinden, ohne dass wir für diese Selbsteinschätzung ersichtliche Gründe gefunden hätten - der eigene Anspruch kann sich weder auf praktizierte Seemannschaft, Freundlichkeit oder Hilfsbereitschaft beziehen. Da sind uns viele Engländer (ohne jede erkennbare Mitgliedschaft) entschieden positiver aufgefallen. Und die berühmten T.O-Stützpunkte? Beispiel Athen: Wir hätten einen Rat gebraucht, wo wir unsere alten Segel, nach Austausch gegen die neue "Garderobe" bis Herbst zwischenlagern oder wie wir sie gegebenenfalls nach Kalamata zurücksenden könnten. Zwei Telefonnummern, zwei griechische Anrufbeantworter - das war´s dann. Ähnlich ging es uns allerdings auch ein Jahr zuvor mit einem Stützpunkt der "Kreuzerabteilung" (Deutscher Seglerverband) in Sivota: Wir lagen in Lakka und hätten dringend technische Hilfe gebraucht, bzw. einen Tipp, wo wir sie oder wenigstens einen sachdienlichen Rat bekommen können. Beim fünften Anruf bekamen wir jemanden an die Strippe, der den Anruf merklich nur als Belästigung empfand und uns eine (ausgeschaltete) Telefonnummer -zig Seemeilen entfernt mitteilte. Wir haben den Eindruck, dass viele Stellen das Ehrenamt als Stützpunktleiter nur annehmen, um für ihre Dienstleistungen (Marina, Charterbasis, Shops) zu werben. Ansonsten ist das ja ein Ehrenamt und verpflichtet zu nichts. Und folgerichtig passiert auch nichts. Aber T.O. kann stolz die Liste der Stützpunkte in jedem Clubmagazin aufzählen. Eine in der Praxis der Fahrtensegler ziemlich nutzlose Symbiose. Gott sei Dank hatten wir seinerzeit in Lakka zwei sehr hilfsbereite Seglernachbarn - beide Boote weder in der Kreuzerabteilung noch bei T.O. Wir selbst helfen inzwischen auch, wo wir können - dazu brauchen wir keinen Verein, sondern nur unser Faible für praktizierte Seemannschaft. Den T.O.-Wimpel haben wir inzwischen eingeholt und entfernt - wir wollen nicht mehr mit ihm identifiziert werden. Von der Kreuzerabteilung in Deutschland wurden wir immerhin schon mit hilfreichen Ratschlägen bedacht, weshalb dieser Wimpel (vorläufig?) noch "oben" bleibt.