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Der "Specialist"

Sie kann die schönste Frau der Welt sein und er der dümmste Mann - wenn sie ihn zum fünfzigsten Mal versetzt hat, wird er die Vergeblichkeit seiner Ambitionen einsehen; es sei denn, er empfände eine perverse Lust daran, sich immer und immer wieder enttäuschen zu lassen.

Auch Lutger hatte immer wieder neue Termine abgemacht und immer wieder neue Absprachen getroffen. Die Termine waren immer wieder ungenutzt verstrichen, die Absprachen wurden immer wieder missachtet. Dabei handelte es sich bei den Rendezvous nicht einmal um Schäferstündchen mit einer kapriziösen Schönheit - es waren meist schlecht rasierte Männer in fadenscheinigen Flanellhemden und abgewetzten Jeans, auf die Lutger auch beim fünfzigsten Mal vergeblich wartete, nachdem er zuvor ungläubig Termin auf Termin und Absprache auf Absprache gesetzt hatte. Zuletzt blieb ihm jedoch nur die Vermutung, dass es sich um einen weit verbreiteten genetischen Defekt handeln müsse, eine mentale Besonderheit der Bevölkerung oder eine gesellschaftliche Absprache, nach der es als unanständig galt, pünktlich und zuverlässig zu sein. Falls dem so war, hielten sich griechische Handwerker mit ausnahmsloser Hingabe an diese Konvention.

Also musste Lutger lernen, an seiner jüngst erworbenen Yacht die Beschläge selbst anzubringen und die technischen Installationen selbst vorzunehmen. Und das war gut so: er lernte sein Schiff kennen vom ramponierten Kiel bis zum verbogenen Windmesser am Masttop und von der Strom fressenden Ankerwisch am Bug bis zur lecken Hydrauliksteuerung im Heck. Später würde er sich ohnehin selbst helfen müssen: in den meisten Gegenden der weit verzweigten griechischen Segelreviere sind keine ausgebildeten Handwerker zu bekommen, geschickte Fachkräfte schon gar nicht. 

 

Der komplette Text erscheint demnächst in der Sammlung "Blaue Lust" als e-book