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The GREECE EXPERIENCE

Ein SeglerWinter auf dem Trockenen in Corfu

Nein, das Bild zeigt keine Aufnahme des Zürichsees im August, sondern die Hafenbucht von Korfu mit vorgelagerter Insel und Blick auf die Berge am griechischen Festland - im Februar 2003. Zum Beleg die Fähre der "Kerkyra Lines" im Vordergrund. Ein traumhaftes Szenario, wie es die SommerTouristen nie zu sehen bekommen. Dazu gibt´s als Dreingabe gelegentlich einfallende martialische Stürme und Gewitter und an den schönen Tagen ein Stadtleben in Corfu-City, das in anmutigster Weise das Erbe aus italienischer Grandezza, französischem "Laissez faire", englischem Imperial-Bombast und venezianischer Baukunst an jeder Hausecke in neuem Mischungsverhältnis aufführt. Ach ja - und viele griechisch redende Griechen gibt´s natürlich auch. Dazu das größte Standbild der Stadt, das einen deutschen Militär darstellt - sonst hat die deutsche Kultur nicht viel hinterlassen - typisch (?). Zu erwähnen wäre vielleicht noch der kitschige Palast, den Kaiserin Sissi im Norden der Insel hinterließ - das könnte man den Österreichern anlasten, wenn der deutsche Kaiser das Ding nicht später gekauft und stilmäßig vollends ruiniert hätte....
Aber ich war ja zum Arbeiten gekommen und konnte meinen nationalen Minderwertigkeitskomplex an Bündeln von kreuz und quer lose im Schiff verlegten und unbeschrifteten Elektrokabeln, verdreckten Bilgen und unverständlichen Gebrauchsanleitungen abreagieren. Die Unity steht mit (mindestens ...) tausend anderen Yachten auf dem "Corfu Yacht Yard" aufgebockt im Winterlager. Ein ebenso trauriger und uneleganter Anblick wie watschelnde Schwäne an Land. Interessant einzig das Studium verschiedenster Rumpf- und Kielformen, die ja ansonsten vom Wasser verborgen sind. Für den Segler ein ähnliches Vergnügen wie vielleicht für einen Schneider das Studium der Unterröcke eleganter Damen beim heimlichen Blick in eine Umkleidekabine. Inklusive der Entdeckung so mancher Peinlichkeit und Unzulänglichkeit, die dem Ganzen eine voyeuristische Note gibt. Aber auch beim eigenen Boot heißt es erst mal "per aspera at astra" (darf man das in Griechenland so "römisch" ausdrücken?):

Chaos auf beengtem Raum (links das Ruderhaus als Werkstatt) und Resultat (rechts die neu eingerichtete Arbeitsecke mit E-Piano, Zeichentisch etc.)

Neben viel Renovierungs- und ReinigungsArbeit standen die Installation neuer Elektronik (Radar, Trenndiode, Windgenerator), ein neuer Herd mit Mikrowelle und ein Arbeitszimmer als Hausaufgaben an. Wie im richtigen Leben war alles eine Baustelle, die sich über die ganze Schiffslänge hinzog, aber zuletzt war doch Stück für Stück erkennbar, wozu der ganze Aufwand betrieben wurde. BegleitBonus war die Arbeitsmoral griechischer "Specialists", vor der ich zwar gewarnt worden war und mich mit einem "so schlimm kann´s ja nicht werden" wappnete - und es kam schlimmer. Über fünfzig Termin- und Kostenabsprachen von denen keine einzige eingehalten wurde sind nur ein Detail der Palette....

Ein weiterer Prüfstein war das Amüsierverhalten der ortsansässigen Korfioten, liegt der "YachtYard" doch direkt an der lokalen VergnügungsMeile. Stampfende DiscoRhytmen bis zum Morgengrauen ließen mich abends eilends das Wohnmobil satteln und eine Meile weiter ein hübsches Plätzchen mit lauschiger Aussicht aufsuchen, an dem die zeitgenössische PopularKultur am einsamen städtischen Wasserhäuschen einen eher amüsanten optischen Akzent zur gnadenlos lyrischen Idylle lieferte:

Fazit: Das winterliche Korfu ist unbedingt eine Reise wert und wenn man dann so blöde ist, sich den schönen Aufenthalt mit Arbeiten zu versauen, kann man eigentlich nur ein Segler im Winterlager sein......
 

Zur Ehrenrettung ein P.S.: Immerhin zwei Mal schaffte ich es, unser Beiboot "Trinity" aufzutakeln und, angetan mit einem schützenden Neoprenanzug, über die nachmittägliche "Strasse von Korfu" zu segeln. Diese Testläufe waren sehr erfreulich und übertrafen meine Erwartungen sogar noch - auch dank überdimensioniertem Segel, welches das Bötchen selbst bei leichteren Winden wie ein Gokart auf einer Waschbrettpiste über die Wellen "kacheln" ließ. Als "Zwischenmahlzeit" für die Seele waren diese Exkursionen bei all der Arbeit eine notwendige Aufmunterung. Zur kulturellen "NahrungsErgänzung" habe ich außerdem (fast) den kompletten "Baedecker" gelesen, den mir Chefredakteur Rainer auf meinen Wunsch hin zur Hochzeit vermacht hatte - zu Sissis Palast mochte ich aber trotzdem nicht pilgern .... ;-) - aber für die ohnehin obligaten Stadtrundgänge anlässlich fast täglicher Einkaufstouren öffnete die Lektüre die Augen für das geschichtliche Erbe und den "multikulturellen" Charme der Stadt.