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Insel Tinos, 30. September 2004

 

Es war uns bisher unbekannt, dass die heilige Jungfrau Maria in einem Palast wohnt, aber hier ist er (Bild links). Alles aus Marmor, selbst die breite Prachtstrasse vom Hafen hinauf  bis zum Palast ("Kirche" wäre angesichts dieser Opulenz eine unverschämte Untertreibung). Dass die recht steile Straße dadurch so rutschig wurde, dass man zusätzlich an der Seite einen Teppich verschrauben musste, ist "Künstlerpech".  Ein Wunder, das hier der Kraft Mariens zugesprochen wird, hat einen maritimen Inhalt und soll daher kurz erzählt werden:

Ein Kreuzer der Kriegsmarine, dem in einer der vielen Kapellen des Palasts ein Denkmal gesetzt wurde, war leckgeschlagen, konnte sich aber dennoch in den Hafen der Insel retten. Bei den folgenden Untersuchungen wurde festgestellt, dass ein Fisch das Loch im Rumpf verstopft hatte. Das fragliche Rumpfteil ist heute in der Kapelle ausgestellt. Nach der Größe des Schadens zu urteilen, muss hier ein veritabler Walfisch Seenotrettung betrieben haben. Im Übrigen ist zur Geschichte der Entstehung des Palasts nur noch zu vermerken, dass es uns etwas befremdet,  wenn es die gnadenreiche Jungfrau vonnöten hält, eine Pest unter´s Volk zu schicken, damit nach einer Ikone mit dem Abbild von ihr gegraben wird. In Bayern würde man diese Legende wohl mit einem "ja mei - eitel sans scho, die Weiber..." kommentieren. Dass diese Ikone seither viele Menschen geheilt haben soll, mildert das Bild wieder etwas. Aber ob die Jungfrau auch wirklich meinte, es müsse ihr nach Auffinden der Ikone gleich noch ein riesiger Palast gebaut werden? Es wurde immerhin nichts von einer erneuten Seuche berichtet, nachdem der Palast fertig war. Vielleicht hatte die Gute ein Einsehen in die Tatsache, dass manchen Menschen die Größe einer ideellen Sachlage eben sehr bildhaft vor Augen geführt werden muss. Eine vor Beginn der Aufklärung sehr beliebte Idee, aus der heraus ja auch die römisch-katholische Kirche lange Zeit ihre "Opernhäuser des kleinen Mannes" in aller Welt installierte.

Solch himmlische Überlegungen hindern uns jedoch nicht daran, das ganz Diesseitige frohen Herzens zu genießen: zum Beispiel den original östereichischen Katenschinken, den uns Walter bei seinem Besuch in Epidauros mitgebracht hat. Der Kontrast zwischen unserer Aussicht auf den Hafenboulevard der Marienstadt beim Abendessen und dem heimischen Geschmack des herzhaften Schinkens auf der Zunge ergibt eine reizvolle Mischung. Wir genießen jede Scheibe andächtig - wenn man das angesichts der obigen Erwägungen so ausdrücken darf. Aber wir nehmen mal an, dass die Jungfrau gegen Katenschinken auch nicht mehr wie gegen Marmorpaläste einzuwenden hat. Wie geht das Tischgebet meiner Kindheit? "...uns zur Kraft und dir zum Preise." Na bitte....

Der rituelle Spaziergang durch die jeweilige Hafenstadt nach dem Abendessen geriet uns in Tinos zur Photo-Session. Die Altstadt ist, besonders am Abend "gnadenlos" pittoresk. Ob man das nun photographieren muß oder ob man das schon gar nicht mehr photographieren darf, darüber ließen sich nun bei einem geeisten Ouzo trefflich Sophismen treschen. Ich überlasse das Urteil dem geneigten Besucher dieses Logbuchs und schicke ihn nun auf einen abendlichen bummel durch Gässchen, Winkel, Plätze, Über-, Durch-, Aus- und Eingänge von Tinos:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Unfreiwilliges Selbstportrait des Photographen