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Gavrion / Insel Andros, 24. September 2004

 

Spannend - wie wird sich unsere Kykladen-Rundreise gestalten? Wie viele "Wetter-Stops" werden nötig sein? Was erwartet uns in den verschiedenen Häfen? Bekommen wir die "richtigen" Winde? Vor dem Ende der Saison leisten wir uns noch einmal ein richtiges Segel-Abenteuer.

Am 22. September sind wir in Aigina noch einmal früh aufgestanden, um den langen Schlag auf die Insel Kea vor Einbruch der Dunkelheit zu schaffen. Leider kamen wir dann doch nicht so früh weg, wie wir wollten: Ein holländisches Boot, das uns bereits in Epidauros (>) etwas unangenehm aufgefallen war, legte sich leider auch hier neben uns und warf, obwohl wir deutlich davor gewarnt hatten, ihren Anker über unsere Kette. Nun verloren wir eine halbe Stunde damit, uns wieder frei zu bekommen. Lästig.

Aber dann ging´s los. Bei strahlend blauem Himmel durchquerten wir den Saronischen Golf. Weißer Dunst über dem Meer, der das Licht gleißend brach, zwang hin und wieder dazu, sich zum Griechen zu verkleiden, sprich: eine dunkle Sonnenbrille zu benutzen. Entsprechend gering war die Sicht, sodass große Aufmerksamkeit erforderlich war, um die schnellen Frachtschiffe und Fähren rechtzeitig zu bemerken und ihnen gegebenenfalls durch einen vorübergehenden Kurswechsel auszuweichen. Wieder einmal war ich sehr froh um unser Radar. Mit ihm waren die Bewegungen der schemenhaft aus dem Dunst auftauchenden Schiffe gut nach Fahrtrichtung und Geschwindigkeit zu verorten und wir selbst sind für Andere mit eingeschaltetem Radar besser sichtbar.

In der Mitte des Golfs war alles Land ringsum verschwunden, kein anderes Schiff weit und breit in Sicht und so pflügten wir mutterseelenallein durch ein fast spiegelglatte See gen Osten. Ringsum weißer Dunst (die Sichtweite sank unter 6 Seemeilen), das türkisgrüne Meer und ein vergißmeinnicht-farbener Himmel darüber. Wir konnten uns aussuchen, ob wir uns nun total verloren fühlen wollten, oder die Stille und Weite genießen. Wir entschieden uns für Letzteres. Am Frühnachmittag kam ein guter Wind aus der richtigen Richtung auf und wir setzten die Genua und das Hauptsegel. Die Maschine lief aber mit gemäßigter Drehzahl weiterhin mit - wir wollten keine Verzögerung riskieren. Dafür machten wir einen kurzen Halt, als um zwei Uhr am Nachmittag Cap Sounion  mit dem Poseidon-Tempel am Südzipfel von Attika auftauchte. Auch Pia war für den Zwischenstop und den kurzen Landgang recht dankbar...

Dann begann das letzte Drittel der Reise. Wieder unterstützte uns ein freundlicher Wind, sodass wir gut voran kamen. Erst wenige Meilen vor der Insel Kea tauchten erste Bergsiluetten aus dem Dunst auf, dann wurden erste Details sichtbar, aber erst kurz bevor wir die Küste erreicht hatten, wurde deutlich, wo sich der Eingang zur Hafenbucht von Korissia öffnete. Die Bucht verzweigt sich in verwirrend viele Nebenfinger und so wären wir fast am Stadthafen vorbei gefahren. Ein junges deutsches Paar, mit dem wir uns hier treffen wollten, war prompt vor einer Tavernameile weiter innen gelandet und aß, wie wir per SMS erfuhren, teuer und schlecht, anstatt bei uns zu Gast zu sein. Pech. Wir waren gerade noch zeitig genug eingelaufen, um in der kurzen Dämmerung ohne Licht abend essen zu können. Ein Spaziergang durch das Hafendorf, nach dem Gute-Nacht-Bier gingen wir zeitig schlafen, da am nächsten Tag der Sprung zur Insel Andros anstand.

Kea taucht aus dem Dunst auf. Links hoch oben in den Bergen ist undeutlich der Hauptort der Insel mit seinen blühend weißen Kykladen-Häusern auszumachen.

 

Am nächsten Morgen kam dann noch das Pärchen, das wir am Vorabend verpasst hatten, bei uns vorbei und wir machten sie an unserem Boot längsseits fest. Ein kurzer Plausch, ein paar Wetterinfos, dann liefen sie aus und wir folgten kurze Zeit später. Der Leuchtturm von Kea grüßte von seinem schroffen Felsen und wir machten uns auf den Weg um die Nordspitze der Insel, um dann auf Kurs 60° Richtung Andros zu schwenken.

Je weiter es in den Tag hinein ging, um so dichter wurde wieder der Dunst, sodass die Insel recht schnell hinter unserem Heck verschwand und wir uns wieder in einer stillen Weite aus Licht und Wasser befanden.

Ab und zu tauchten ein paar Frachter auf, entfernt auch ein paar Segelboote, die auf Gegenkurs für kurze Zeit sichtbar, aber zu weit entfernt waren, um mit einem Winken einen Gruß auszutauschen. Also blieb viel Zeit, ruhig über´s Meer zu schauen, genüsslich auf der Heckterrasse zu Mittag zu essen, dazwischen immer wieder Auskuck halten, den Kurs beobachten und korrigieren. Elisabeth packte ihr Angelzeug aus und legte gleich drei Schleppangeln mit verschiedenen Ködern. Und siehe da - nachdem wir bereits vor zwei Tagen eine kleinere Makrele gefangen hatten, verbiss sich nun ein kapitaler Bursche in unseren Köder. Wir hatten ordentlich zu kämpfen, bis wir das Tier von unserem hohen Heck aus mit dem (zu kleinen) Kescher aus dem Wasser gehievt hatten. Ein paar Milliliter Ouzo, in den weit geöffneten Rachen des Fischs gekippt, machten dem Kampf, den das erstaunlich kräftige Tier partout auch an Deck fortsetzen wollte, ein plötzliches Ende. Für Fische ist jeglicher Alkohol ein enorm schnell wirkendes, tödliches Gift. Ob uns das zu denken geben sollte, weiß ich nicht - da ist der Mensch in der biologischen Entwicklung wahrscheinlich doch zu weit vom Fisch entfernt. Jedenfalls stand nun bei einem Lebendgewicht des Fischs von über 2kg der Speiseplan für die nächsten beiden Abendessen fest. Fast überflüssig zu erwähnen: das fangfrisch gebratene Tier schmeckte köstlich. Auch ökonomisch machte der Fang Freude: In griechischen Tavernas würde Fisch in ähnlicher Qualität und Menge ca. 80-90 Euro kosten.

Kurz nach fünf Uhr liefen wir dann im Hafen Gavrion an der Westküste der Insel Andros ein. Gavrion ist ein betriebiger kleiner Fähr- und Handelshafen. Im Stundenrhythmus laufen große Fähren ein, drehen sich in dem kleinen Hafen direkt vor unserem Bug, indem sie bei langsamer Fahrt ihren riesigen Anker werfen und sich um diesen mit dem Heck zum Pier treiben lassen. Nach kurzer Zeit laufen die Fähren wieder aus, oft von uns unbemerkt, da sie kaum Lärm machen. Nur das "schwungvolle" Anlegemanöver erzeugt etwas Schwell, der uns aber nicht weiter stört. Unser Anker liegt sicher mit sechzig Meter Kette im gut haltenden Hafengrund. Und das darf er auch noch ein paar Tage: Eigentlich wollten wir heute noch zur Insel Tinos übersetzen, standen wieder früh auf und liefen aus dem recht geschützten Hafen aus. Noch bevor wir ans Ende der Hafenbucht kamen, pfiff uns der Wind mit fünf Beaufort ins Gesicht und das Boot tanzte auf ungemütlich hohen Wellen. Kurzer Blickwechsel, danach eine eindeutige Geste - eine Viertelstunde später lagen wir wieder sicher vertäut am Pier. Wir wussten, dass es ab Nachmittag Starkwind geben soll und dann zwei Tage Sturm und Gewitter. Dass es schon morgens zu pfeifen begann, war nicht abzusehen, aber auch keine Überraschung. Also werden die Sturmtage eben auf Andros abgefeiert. Tinos kann warten. Vor dem Boot schnurrt der Stromgenerator und wir sitzen am Computer, tippen längst fällige Mails, ich bastle wieder an meinen Texten - und zwischendrin gibt´s eben wieder einen Logbucheintrag.
 

Heute in der Rubrik "das Letzte":

Dieses Schiff hielt mitten auf dem Meer voll auf uns zu, änderte erst kurz vor einer drohenden Kollision den Kurs und bretterte dann so nah an unserem Heck vorbei, dass fast noch unser Beiboot zermalmt wurde. Gefährliche anschließende Schaukelei inklusive. Es möge mir bitte niemand erzählen, dass diese Begegnung zufällig war. Der Skipper meinte mal wieder wie so viele seiner kranken Spezies, mit einem Segler ein privates "Späßchen" machen zu müssen.  Der kleinste Steuerfehler bei dieser Geschwindigkeit endet aber tödlich.

Pia konnt´s mal wieder nicht erwarten und sprang während des Anlegemanövers ins seitlich festgemachte Beiboot. Da das Beiboot während der anschließenden Rückwärtsfahrt zum Bug wandert, ist Pia zum eigenen Erstaunen dann plötzlich die Letzte im Konvoi. Zufällige Beobachter am Pier haben immer wieder ihre Freude an dem Spielchen.