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Kalamata, 26. Februar 2005
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Es pfeift, es knattert, es
donnert, es prasselt. Sturm und Regen satt und schon wieder schwappt der
halbe Messinische Golf über die Hafenmauer. Und das bei Ostwind, obwohl
es doch sonst nur bei Südwest "kachelt" - der Golf entwickelt
zunehmend griechische Allüren - kein Verlass auf ihn. So viel
Schietwetter hatten wir im letzten Winter bei Weitem nicht - und damals
haben sich bereits Einige am Steg beschwert. Oben Reihenaufnahmen direkt
aus dem Panoramafenster vor meinem Schreibtisch im Wohnmobil zur
Illustration der allgemeinen Stimmung (15:00 Uhr). Das Wohnmobil steht wieder mit
Sicherheitsabstand zur Hafenmauer - leider habe ich dadurch jetzt diesen
blöden Spaßtouristen - Katamaran vor der Nase: 50 Sitzplätze auf engen
Bänken, der Tresen zum Ausschank kühler Getränke ist größer als der
Steuerstand. Und dann kann Tante Elfriede zu Hause stolz erzählen, sie
sei "Katameransegeln in Griechenland" gewesen. Alles schaut
ungläubig drein bei dieser Schilderung, weil Tante Elfriede mit ihren
siebzig Jährchen, der Artrose im Hüftgelenk und den satten dreißig Kilo
Übergewicht da doch sicher Märchen erzählt. Aber nein! Mit der Kiste
vor meinem Fenster kann man auch noch Halbtote in die nächste Badebucht
befördern. Vor meinem geistigen Auge ersteht der Kegelclub "Alte
Herren 1865" aus Castrop-Rauxel, wie er einem Hitzschlag nahe mit
einem Bierchen aus der Kühlbox auf den Bänken sitzt, über den Golf
geschippert wird und alle Klassiker deutschen Liedguts absingt, die
irgendwie mit Wasser zu tun haben. "Junge komm bald wieder....",
"Warum ist es am Rhein so schön...". Ja warum wohl? Weil da
gesittete Rheindampfer rumgondeln, auf denen ein würdiger Siebziger ein
würdiges "Kännchen mit Sahne" serviert bekommt, während er
auf einer würdigen Polsterbank sitzt und die würdige Lorelei in
würdigem Tempo vorbei ziehen lässt. Was? Alles blöde Vorurteile und ich
soll hier mal nicht die neuen aktiven Senioren so runtermachen? Na gut -
aber wer mich, sollte ich denn je das würdige Alter von siebzig Jahren
erreichen, auf solch ein lächerliches Teil verfrachten will, bekommt´s
mit einer geballten Ladung von Altersstarrsinn und meinem Gehstock zu tun.
Ich will mit siebzig ein Kännchen Kaffee in einem Polstersesselchen, wenn
ich schon auf´s Wasser gehen sollte. Und den Rhein und einen Dampfer.
Basta.
Aber zwischen meiner Spät-Adoleszenz und dem Gehstock ist ja noch eine gewisse Spanne und für die haben sich manche Menschen etwas durchaus Attraktives einfallen lassen, um angemessen unterwegs zu sein. Mia und Witze aus Holland zum Beispiel. Es gibt ja drei Kriterien bei einer Yacht, aus deren Kombination man sich zwei aussuchen darf. Alle drei zusammen sind so wenig möglich wie die "Eierlegende Wollmilchsau". Die Wahl muss also erfolgen zwischen Komfort, Schnelligkeit, Ökonomie. Wir haben uns für Komfort und Ökonomie entschieden, das heißt, wir reisen wohnlich, das Schiff war bezahlbar und kostet durch seine geringe Länge auch nicht viel Hafengebühr; dafür sind wir eben mit ein paar Knoten weniger unterwegs. Mia und Witze waren in der glücklichen Lage, sich für Komfort und Schnelligkeit entscheiden zu können. "Billig" war das Schiff, das sie mit sympathisch gelassenem Understatement herumschippern, sicher nicht. Die "Scua" ist ein Einzelstück, gefertigt nach den detaillierten Wünschen der erfahrenen und versierten Eigner. Feinster holländischer Werftbau in Aluminium. Auch bei der Innenausstattung ist alles "vom Feinsten" - neben perfekten Holzarbeiten ist natürlich auch eine Waschmaschine und jeder andere zeitgemäße Komfort an Bord. Einige Details für Interessierte: Länge: 12,58m, Breite: 3,95m, Verdrängung: 16 Tonnen bei 7 Tonnen Ballast, Hydraulisch absenkbarer Schwenkkiel, dadurch Tiefgang 1,30 bis 2,70m, Doppelruder, Radsteuerung außen, Innensteuerstand mit Servo-"Joystick", 2 Autopilot-Systeme. Werft: van Enkhäusen (www.info.noordkaper.nl). Ich durfte einige Aufnahmen von der Bilderserie, die anlässlich der Auslieferung in Holland geschossen wurde, hier ins Netz stellen: |
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Und wo bleibt das Negative? Zum
Ersten, wie erwähnt, der Preis. Eine solche Yacht könnten wir uns nicht
leisten. Aber, ohne jetzt von "sauren Trauben" zu reden, gibt es
einige Details, die uns schnell wieder mit unserer guten alten Unity
versöhnen: Da sind zum einen die bequemen Schiebetüren auf beiden Seiten
unseres Ruderhauses - kein "Kraxeln" über einen steilen
Niedergang. Dann unser zwar raumforderndes, aber sicheres Steuerrad am
inneren Steuerstand; ein Stromausfall oder Kurzschluss und der Joystick
auf der Scua ist Dekoration. Auch unser ausladender Kartentisch im
Ruderhaus gefällt uns besser als das "Sideboard" der Scua (o.
rechts).
Wenn wir dann noch unser festes Geländer ringsum und die geliebte
Heckterrasse bedenken, sind wir wieder ganz zufrieden auf der Unity. Aber
die Scua kommt dem, was wir uns unter einem komfortablen, schnellen
Fahrtenkreuzer vorstellen, doch ziemlich nahe.
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Kurz zum Thema "neues/altes" Rollreff: Das jetzt wieder montierte Rollreff war bereits auf dem Schiff, als wir es kauften. Das Dumme: Es war falsch angebracht. Weit vorn am Bugspriet war das 2. Vorstag zur Aufnahme eines Starkwindsegels platziert - weil man bei aufkommendem Sturm noch gerne nach vorn klettert und ein flatterndes Segel einfädelt - was auch segeltechnisch falsch war (Luvgierigkeit), und ein Meter dahinter kam dann die Genua. Wir ließen ein neues Rollreff für die neue vergrößerte Genua im Bugspriet montieren - und hatten ein Problem: Die griechischen "Specialists" waren weder in der Lage, das "alte", nunmehr "hintere" Rollreff auch nur zu demontieren noch gar, es für seine neue "Kutterstag"-Funktion etwas zu kürzen. Elisabeth und ich demontierten das Teil dann eben schnell selbst - zur fassungslosen Verwunderung der "Specialists" - und nahmen es mit zum renommierten Hersteller "Reckmann" nach Hamburg, um es dort fachgerecht kürzen zu lassen. Dabei gab es eine kleine Überraschung: Die Fachleute begutachteten die Trommel unseres Rollreffs, stellten fest, dass es augenscheinlich ein "Reckmann"-Teil war - aber so wohl nur einmal auf der Welt existierte: (vermutlich) der Erstbesitzer unserer Nauticat hat das komplette ursprünglich in Aluminium gefertigte Teil millimetergenau in Edelstahl nachbauen lassen. "Das hält die nächsten zweihundert Jahre" war denn auch der ironische Kommentar.....
Als "Das Letzte" noch zwei Zitate: "Wenn der Mittelstand in die Liebe zieht, gibt´s Krieg" (Robert Gernhard auf dem Kladdentext des "Weiberroman"s von Matthias Politycki. Sympathisches Buch - besonders für alle, die zufällig wie ich a) Ende der Siebziger b) ihre Adoleszenz c) in Stuttgart d) in der Nähe des ehemaligen "Bohnenviertels" am Charlottenplatz abgefeiert haben).
Zweites Zitat: "Wenn ein wahres Genie in die Welt tritt, erkennt ihr es an den Idioten, die sich dagegen verschwören" (Das ist von Jonathan Swift, dem Roman "Ignaz oder die Verschwörung der Idioten" vorangestellt und in diesem Zusammenhang äußerst ironisch gemeint. Der Autor John Kennedy Toole nahm sich am 26. März 1969 im Alter von 32 Jahren das Leben aus Verzweiflung darüber, dass kein Verlag seine Werke drucken wollte. Elf Jahre später bedrängte seine Mutter einen kleinen wissenschaftlichen Verlag, das Buch doch noch zu drucken - es wurde ein Welterfolg. Der anarchische Witz ist zwar ganz offensichtlich ein Kind seiner Zeit, dennoch nach meiner Meinung (besonders für alle, die in den 60/70ern aufgewachsen sind) sehr lesenswert. Es wird im Vorwort ausdrücklich davor gewarnt, das Buch in öffentlichen Gebäuden zu lesen, da man sich durch beständiges Gelächter unbeliebt machen könnte....)
"Das Allerletzte" liefert heute mal wieder Pia: Irgendwie haben wir den Hund wohl inzwischen schon zu sehr ans Meer gewöhnt. Heute Nachmittag machten wir einen kurzen Spaziergang zum Strand für´s "Wave-Watching". Über zwei Meter hohe Brecher überschlugen sich vor uns - ein faszinierender Anblick. Pia ging derweilen Möwen jagen und preschte mit freudigem Gebell entlang der Wasserlinie. Diese hatte jedoch eine Breite von ca. 100 Metern: Die Brecher rauschen heran, überschlagen sich, schießen über den Strand und danach fließt das Wasser wie ein reißender Strom zurück ins Meer - das hat schon so Manchen auf Nimmerwiedersehen fortgerissen. Pia rannte in ihrem Eifer stets der kurzzeitig zurückweichenden Gischt hinterher - und stand dann im nächsten Augenblick direkt vor einer brüllend heranrasenden Wasserwand, was sie aber in keiner Weise zu beeindrucken schien. Nachdem sie auf diese Weise einige Male nur noch knapp dem Schicksal entkam, ins Meer gespült zu werden, beendeten wir eilig unseren Besuch am Strand.
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