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Alonisos, 20. Juni 2005

 

Von Skiathos setzten wir am 14. Juni mit einem kleinen Schlag von ca. 12 Seemeilen über auf die Insel Skopelos. Der Wetterdienst Poseidon hatte ca. 1,20 Meter hohe Welle angesagt und die hatten wir dann auch. Der wesentliche Unterschied zum Euböa-Kanal: Die Welle kam von achtern und nicht von vorn, ebenso der Wind. Die Unity rollte damit zwar kräftig von einer Seite auf die andere, aber das störte uns nicht besonders: Man suche sich einen Platz mit gutem Halt und - genieße die Seefahrt unter prall gefülltem Segel. Was bei der Ansteuerung von Skopelos als erstes ins Auge fiel, war das viele Grün: Die Insel ist von saftig grünen Wäldern überzogen. Eine Seltenheit in Griechenland. Die Insel Korfu wird ja stets als "DIE grüne Insel Griechenlands" bezeichnet - meiner Ansicht nach macht bei diesem Kriterium Skopelos mit großem Abstand den Stich. Wir liefen in die kleine Hafenbucht von Agnontas ein - und hatten ein Problem: Am Kai lag ein großes Frachtschiff und davor ein Fischerboot und zwei Yachten längsseits - dann hörte der Kai auf. Wir fragten bei der Crew der ersten Yacht an, ob wir bei ihr längsseits ins Päckchen gehen dürften, was uns auch gestattet wurde mit dem Hinweis, dass die Crew ohnehin vorhatte, noch am selben Tag weiter zu fahren. Kaum hatten wir festgemacht, ertönte jedoch hinter uns ein mächtiges Schiffshorn: ein zweiter Frachter war fast lautlos eingelaufen, lag mitten in der kleinen Hafenbucht und wollte auch noch ans Pier. Den konnte nun niemand ins Päckchen nehmen. Während wir uns noch nach Alternativen umschauten und von Yacht zu Yacht berieten, was zu tun sei, traf umgehend eine resolute Dame in der Uniform der Port Authority ein und forderte uns mit aller Strenge ihrer "Authority" auf, von unseren Plätzen am Steg zu verschwinden - und bitteschön "a_t__o_n_c_e". Konnten wir nichts dagegen einwenden, sie hatte ja recht - es war eben nur kurz etwas Beratungsbedarf von Nöten gewesen, um nicht völlig konfus in der engen Bucht herum zu manövrieren. Dafür gingen unsere Manöver jetzt recht koordiniert und extrem "subito": wir durften an der Yacht weiter vorne ins Päckchen und die Yacht, an der wir zuerst festgemacht hatten, zog ihren ohnehin geplanten Aufbruch etwas vor. Das vollzog sich alles binnen weniger Minuten so flott, dass die gestrenge Dame sichtlich beeindruckt war und sich beim Abschied, inzwischen unvergleichlich freundlicher, vielmals bei uns bedankte. Auch die Yacht, an der wir letztendlich festgemacht hatten, wollte noch am gleichen Tag weiter, sodass wir am Nachmittag doch noch direkt am Pier festmachen konnten, was sich jedoch nicht als reine Freude erwies (s. "das Letzte").

Wir machten auch einen kleinen Spaziergang durch den Ort, stellten aber schnell fest, dass es davon nicht allzu viel gab. Wir haben nicht genau nachgezählt, aber mehr als 10 Häuser waren es sicher nicht. Wir hätten auch gern die üppig grünen Wälder erkundet, konnten aber weder Weg noch Steg finden und auf der Landstraße, die durch den kleinen Flecken führte, kam zwar nur alle Stunde ein Fahrzeug, das aber, ungeachtet des schlechten Zustands der Fahrbahn, in höchstmöglicher Geschwindigkeit, was uns etwas um Pias Sicherheit bangen ließ. Am Abend legte dann der erste Frachter ab, der sich offensichtlich um einen halben Tag mit dem Löschen seiner Fracht verzögert hatte, und eine Yacht, die am Nachmittag in der Hafenbucht vor Anker gegangen war, konnte sich auch noch ans Pier verholen.

Am nächsten Morgen hissten wir wieder zeitig die Segel und gelangten mit moderatem "halbem" Wind um die Mittagszeit in den Hafen Patitiri auf der Insel Alonisos. 

Ein geschäftiger mittelkleiner Hafen mit einem gepflegt-verschlafenen Ferienörtchen dabei. Die Feriengäste überwiegend in gesetzterem Alter oder junge Familien, was eine freundlich gelassene Atmosphäre generiert. Der Officer der Port Authority stand am Pier bereit und wies uns freundlich einen Platz zu (die Port Authority hier bekommt von uns übrigens in allen Punkten (Freundlichkeit, Aufmerksamkeit, Koordinationstalent) die Bestnote). Wir wussten, dass wir hier einen oder zwei Tage bleiben würden und befanden, dass unsere Wahl für den Zwischenstopp nicht die Schlechteste war. Nachdem die Unity sicher am Pier verstaut war, machten wir den obligaten Erkundungsspaziergang entlang des Hafens:
Am nächsten Tag wanderten wir durch die üppigen Wälder, die es auch auf Alonisos gibt und danach statteten wir dem hoch über dem Hafen gelegenen (EU-finanzierten) Museum einen Besuch ab. Ein neu gebautes Heimatmuseum mit Ausstellungsstücken zur Geschichte des Weinbaus, der Fischerei, der Landwirtschaft, Geschichte und des sonstigen Lebens auf der Insel. Sehr aufwändig, aber leider etwas einfallslos steril präsentiert. Interessant immerhin das Stockwerk mit Stücken aus den (wenn ich richtig mitgezählt habe) 5 Kriegen seit Beginn des 19. Jahrhunderts. Zumindest im letzten dieser Kriege spielte Deutschland ja eine ganz entschieden unfreundliche Rolle, was jedoch eher am Rande erwähnt wird. Es war immerhin interessant, wie das Geschehen auf den Texttafeln dargestellt war - in Griechenland wurde der Heroismus offensichtlich nicht nur sprachlich "erfunden"..... Eine nette Geste des Museums bestand darin, dass jeder Besucher sich nach vier Stockwerken griechischer Heimatkunde unter dem Baldachin der Hochterrasse ausruhen durfte - mit herrlichem Blick über die Bucht und einem kostenlosen Getränk nach freier Wahl. Wir honorierten diese freundliche Geste mit einem ebenso freundlichen Trinkgeld für den netten Barkeeper.
Als wir das Museum verließen, passierte das, was sich dieses mal "redlich" eine Aufnahme in die Rubrik "das Letzte" verdient hat und das uns an unangenehme Erlebnisse, jüngst auf Skopelos und auch an anderen Orten Griechenlands erinnerte: Wir hatten uns zum Museum über eine schmale Beton-Abbruchkante entlang des kleinen Strandes gehangelt und entdeckten nun, dass es sehr wohl auch einen "normalen" gepflasterten Weg gab, der zum Museum bzw. zurück zum Ortskern führte. Nur war dieser fast vollkommen von einer Taverna annektiert und mit Stühlen und Tischen möbliert worden. Überall in Griechenland scheinen Gehwege und Bürgersteige in erster Linie dazu da zu sein, dass sie von Tavernas bis zum Rand vollgestellt werden. Fußgänger dürfen sich dann auf der Straße an den Autos und herumrasenden Mopeds entlang kämpfen. In diesem Fall war jedoch immerhin eine Gasse frei, durch die man ohne Klettertouren wieder zurück in den Ort gelangen konnte. Am ersten Tisch bei diesem Durchlass saß nun ein Mann mit einem ziemlich hässlichen Hund, der offensichtlich etwas dagegen hatte, dass wir passierten: ohne Vorwarnung hetzte er seine Töle auf uns und als ich erschrocken dagegen protestierte, hob der Mensch seinen halb vollen Bierhumpen und drohte damit, ihn mir ins Gesicht zu schütten. Der Wirt des Etablissements hatte augenscheinlich nichts dagegen einzuwenden. Im Hafenführer von Commodore Elias steht als besonders erwähnenswert, dass die Bewohner der Insel Skopelos "have not yet fallen to tourism". Eine nette Umschreibung für Fremdenfeindlichkeit: Am Nachmittag tauchten halbstarke Rowdies am Pier in Agnontas auf, erblickten offensichtlich erfreut unser Schiff und machten sich einen Spaß daraus, vor und hinter dem Schiff als "Bomben" ins Wasser zu knallen. Vordeck und Achterdeck waren nass, alle Luken mussten geschlossen werden, was der Luftqualität im Schiff nicht eben förderlich war. Als ich darum bat, das Spielchen doch bitteschön zu unterlassen, wurde ich beschimpft - "Malakka" (Vixer, Arschloch) und mit obszönen Gesten bedacht (s. Bilder unten). Danach ging das Treiben eher noch gesteigert weiter. Das Schiff schwankte so sehr, dass an Arbeit am Computer kaum zu denken war - vor allem da Krach und Geschrei direkt am Schiff über zwei Stunden weiter gingen. Einheimische Erwachsene standen in der Nähe, hatten aber offensichtlich absolut nichts dagegen einzuwenden, dass wir belästigt wurden. Wir wiederum konnten uns als Ausländer nicht gegen die Randalierer wehren. Abends bekamen wir dann die Rückmeldung, woher die Rüpel ihre Motivation bekommen: Ein älterer Mann raste mit seinem Motorboot mehrmals ungeachtet der ca. halbmeterhohen Welle, die er verursachte, durch den kleinen Hafen. Er musste wissen, dass dadurch alle längsseits liegenden Boote gefährlich gegen das Pier gestoßen werden, was jedoch vermutlich gerade Sinn der Übung war. Über dem Pier hängt ein riesiges Schild, das verkündet, dass auch dieser Ort mit über 100.000,00 Euro von der EU gesponsert wurde. Offensichtlich kein Grund, Besucher aus der EU wenigstens in Ruhe zu lassen, wenn´s schon nicht zu einem Minimum an Freundlichkeit reicht.

Mit reaktionären alten Säcken, die jugendliche Randalierer zu Fremdenfeindlichkeit anstacheln, hat man unter anderem im deutschen Mecklenburg-Vorpommern genügend schlechte Erfahrungen. Man ist versucht, Skopelos als "MäcPomm Griechenlands" zu begreifen, aber das Phänomen taucht auch andernorts auf: In Palairos (Ionische See, Festlandsküste) schrie ein Gruppe Jugendlicher mit dem wenigen Englisch dessen sie mächtig waren, stundenlang Beleidigungen und Obszönitäten über´s Pier in der Qualität, dass sie "die geilen Weiber auf den Booten schon mal gerne ficken würden" und traten provozierend gegen Gangways und Boote - ohne dass jemand eingegriffen hätte. Einige Boote legten daraufhin entnervt ab und ankerten lieber in der Bucht vor dem Hafen. In Mesolongi (Golf von Patras) trieb sich nachts am Pier alles denkbare Gelichter von Drogendealern bis Straßenhuren samt Kundschaft herum. Als eines Nachts jugendliche Randalierer (ca. 20 Jahre alt) auf festgemachten Yachten herumhüpften und sie beschädigten, wurden wir fast verprügelt, als wir dem Treiben Einhalt gebieten wollten, danach wurde mit dem Auto Jagd auf mich gemacht, bis ich mich auf´s Boot rettete. Ein seit einiger Zeit im Ort ansässiger Holländer klärte uns am nächsten Tag darüber auf, dass die Einwohner von Mesolongi zwar Millionen von der EU kassiert haben, um den Ort als Seebad auszubauen, nun aber überhaupt nicht einsehen, warum hier auch Ausländer auftauchen sollen. Auch das "Wasserbombenspielchen" kennen wir aus anderen Häfen bereits. Zum Glück waren bisher meistens nicht wir Opfer der Attacken, aber wir bedauerten die Crews, denen es dann nicht mehr möglich war, in Ruhe in ihren Cockpits sitzen zu bleiben. Das ist nicht lustig, das ist (zumindest) lästig.

Schade, dass unser ansonsten recht positives Bild von den Sporadeninseln durch diese Erlebnisse doch etwas eingetrübt wurde. Gerade in einem der schönsten Teile des Landes kamen wir leider auch mit dem "hässlichen Griechenland" in Berührung. Einerseits macht man sich in Griechenland Sorgen um die stetig sinkenden Besucherzahlen und versucht, gegenzusteuern, andererseits tun Rowdies und Reaktionäre offensichtlich alles ihnen Mögliche, um Besuchern zu zeigen, dass sie ihrer Ansicht nach ganz sicher nicht erwünscht sind. Ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis auch hier wie jüngst in Portugal Raub- und Schlägertrupps über die Strände herfallen? Wie das alles mit der Tatsache zusammenpasst, dass Griechenland noch immer "satt" von der EU alimentiert wird, wurde uns ja in Nauplion von einem ansässigen Deutschen mit dem Zitat erklärt "Wenn "die" so blöd sind, sollen sie eben zahlen". Und Blödmänner kann man ja auch ungestraft schikanieren - der Eindruck entsteht jedenfalls (zum Glück nur) stellenweise.

Diese traurigen Erlebnisse veranlassten mich auch zu ein paar Gedanken über ähnliche Probleme in Deutschland. Es gilt im Bildungsbürgertum als schick, möglichst viele Fremdsprachen zu beherrschen. Aber wenn es um rechtsradikale Schläger geht, artikuliert sich das Bürgertum in einer Sprache, die von den Adressaten ganz sicher nicht verstanden wird: Lichterketten gegen Fremdenfeindlichkeit und Hass sehen zwar hübsch aus, werden aber sicher nicht verstanden, wie die Realität zeigt. 20 Baseballschläger in trainierten Händen, die bei den dumpfsinnigen "Glatzen" "zuschlagen wo´s trifft" statt 400 Kerzen geben der Aussage "Wir_wollen_das_nicht!" ganz sicher nachhaltiger Ausdruck  - auch wenn das eigentlich nicht "unsere" Sprache ist, müsste sie vielleicht lernen, wer wirklich ernsthaft gegen das Problem vorgehen will. Vor 20 Jahren tauchte in dem kleinen Ortsteil Dinkelsbühls, in dem mein Haus stand, ein Lautsprecherwagen der Republikaner auf und verbreitete quäkend rechtsradikalen Müll. Ich baute gerade meine Garage, nahm eine Eisenstange in die linke und einen Backstein in die rechte Hand und bedeutete knapp aber überdeutlich, dass die Heinis bitteschön sehr schnell verschwinden sollten, wenn ihnen ihre Windschutzscheibe lieb ist. Diese Sprache wurde umgehend und offensichtlich nachhaltig verstanden - ich habe in all den Jahren keine rechtsradikalen Bauernfänger mehr in unserem Ortsteil gesehen......

Im Moment beobachteten wir noch etwas, das ganz gut in die Anhang-Rubrik "das Allerletzte" passt: Heute Nachmittag legten rechts und links von uns drei Charterboote mit fröhlichen österreichischen Jungmänner-Crews an, die dann umgehend in der gegenüber liegenden Taverna vor einer Batterie Bierflaschen saßen. Kurz darauf ertönten Gegröle und weniger melodische, dafür aber lautstarke Gesänge des Genres "Oleeeee, Oleeeee" und "sauf mar noch ain" über den Hafen. Zwei der Boote legten nach einer guten Stunde wieder ab (!), die Crew des dritten Bootes fühlte sich dazu anscheinend nicht mehr in der Lage, zechte weiter, belästigte Elisabeth und Passantinnen mit dümmlicher Anmache, während einer der Knaben nackt im Cockpit tanzte, ungeachtet dessen, dass sich vor dem Boot der Hauptboulevard des Ortes befindet. In Badetuchgröße prangte die österreichische Flagge an der Saling des Bootes, wofür ich in diesem Fall wirklich dankbar war..... Leider handelt es sich hierbei um keinen Einzelfall - in einem anderen Hafen stand eine ganze Crew fetter, gänzlich nackter Männer saufend auf dem Steg und pinkelte mitten am Tag in aller Öffentlichkeit gelegentlich ins Hafenbecken. Das Bewusstsein dafür, dass das Führen der jeweiligen "Nationale" nicht nur eine Pflicht, sondern auch eine Verpflichtung gegenüber seinem Heimatland und dessen Ruf bedeutet, scheint manchen Menschen gänzlich abzugehen.

Angesichts solcher Besucher kann man eine gewisse Reserviertheit mancher Einheimischer schon wieder nachvollziehen....