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Ajaccio

(Insel Korsika)

02. August 2006

 

Die Lage ist ernst - und der Bart so wild, wie schon lange nicht mehr (rechts): Zur Zeit versuche ich nun, unsere Unity möglichst rasch von Korfu nach Marseille, bzw. an die Rhonemündung zu überführen. Ein "Spaßtörn" ist das nicht, eine Zwangspause im Golf von Ajaccio wegen zu heftigem Mistral kann immerhin für ein paar Zeilen im Logbuch genutzt werden.

Wer über das Internet nach Mitseglern sucht, darf sich auf Überraschungen gefasst machen: gemeldet hatte sich J., der ganz forsch klarmachte, dass mit ihm ein seglerisches Glanzstück an Bord käme: reviererfahren und mit allen Salzwassern gewaschen, weshalb seine Mitwirkung auch bitteschön mit einem wöchentlich zu entrichtenden Salär zu entlohnen sei; plus An- und Abflug, plus alle Nebenkosten. Eigentlich hatte ich nur ganz bescheiden nach einer "Deckshand" für den Überführungstörn gesucht, aber da sich wegen der kurzen Frist bis zum Beginn des Törns sonst niemand meldete, in dessen Zeitplan die Überfahrt gepasst hätte, willigte ich notgedrungen ein, in der Hoffnung, etwas entlastet zu werden. Dann kündigte J. noch einen weiteren Mitsegler an. Auch gut, dann werden die Wachen nicht so lang. Als die Beiden in Korfu ankamen, wollte ich vor Beginn des eigentlichen Törns einen kurzen Einführungstörn in die Straße von Korfu machen. Nicht nötig, dös pack mer scho!  (J. war "a waschechter Bayer"). Dafür wurde am Abend mein Biervorrat in einer Geschwindigkeit dezimiert, die nur noch als "wütende Vernichtungsaktion" bezeichnet werden konnte, auch eine fast volle Ouzo-Flasche ging ohne meine Mitwirkung den Weg alles Irdischen. Derweilen erwartete ich die Törnplanung des "Profiskippers". "Morgen pack mers!" wurde entschieden - ich verließ mich auf J.´s Wetterrecherchen, und wir liefen aus. Der Törn war ernüchternd: 1. hatten die Herren das einzige Nahrungsmittel, das sie selbst hätten besorgen müssen, glatt vergessen, einzukaufen: frisches Brot (ich esse zur Zeit nur gut zu stauendes Knäckebrot). 2. Versuchten wir daraufhin in zwei Badeorten an der Strecke noch Brot zu bekommen - vergebens aber nicht umsonst: wir verloren drei Stunden. 3. hatte J. wohl doch irgendwas nicht so richtig recherchiert: noch vor der Insel Othoni im Norden Korfus mussten wir in schwerem Wetter kehrt machen und den ganzen Weg wieder zurück zum Hafen fahren, wo wir grade noch vor Einbruch der Dunkelheit ankamen. 4. hatte sich herausgestellt, dass ich eine, wo nicht unerfahrene da doch im körperlichen und fachlichen Leistungsvermögen reduzierte Crew an Bord hatte: keiner wusste so recht wo anpacken: mitschauen und mitdenken schienen unbekannte Agitationsmuster zu sein. "Du musst halt Kommandos geben!" wurde mir empfohlen - hatte ich bei Elisabeth nie so explizit gemusst - wenn der Bug wegtriftete beim Anlegen, hatte sie das selbst gesehen und entsprechend agiert. Ich begriff schnell, dass ich in den letzten Jahren mit Elisabeth einen weiblichen Einstein der Segelkunst an Bord gehabt haben muss - oder aktuell zwei Herren, über deren Fähigkeiten am taktvollsten der Mantel des Schweigens gebreitet werden sollte.
Bild links: Leuchtturm an der gefährlichen Untiefe im Norden der "Straße von Korfu"

Rechts: Abendstimmung am Beginn einer unserer (vielen) Nachtfahrten.

Um doch noch zu einem (geglückten) Start zu kommen, übernahm ich nun Wetter und Törnplanung wieder selbst: für den ersten "Schlag" von Korfu nach Santa Maria de Leuca (Südspitze Italien) waren 4 Seegebiete zu beobachten: die "Straße von Korfu", die Inseln nördlich von Korfu, die Adria und der Golf von Torento. Zu welchem Zeitpunkt waren wir wo und wie war da dann voraussichtlich das Wetter? (es nutzt nichts bei "prima Wetter" auszulaufen, um mitten auf dem Meer in ein Desaster zu geraten, weil man nur die ersten 10 Seemeilen von 80 beobachtet hat).  Ich erstellte zwei Tage lang Meilen- und Zeittabellen und glich sie mit der prognostizierten Wetterentwicklung ab, während meine Crew teilweise spurlos verschwand, um am frühen Morgen in animierter Laune wieder an Bord zu erscheinen - und den Biervorrat weiter zu "schwächen". Also gab ich wie erbeten, ein klares Kommando: wer von Bord geht, meldet sich ab und ist abends zu "christlicher" Zeit wieder zurück. Da ich "bitte nicht sturzbetrunken" vergessen hatte, kam J. dann eben am Vorabend des Auslaufens in diesem Zustand an Bord. Wir liefen aus, der Törn klappte nach (meiner) Planung, nur bekam ich immer mehr den Eindruck, dass mir mein Wunsch, die Unity einmal "einhand" zu segeln, schneller erfüllt wurde, als mir lieb war. Die Herren legten sich abends aufs Ohr und ließen mich während der Nacht weithin ungestört Bordwache halten. Um zwei Uhr morgens kamen wir in S.M.d.Leuca an. "Kenn ich wie meine Hosentasche, keinerlei Probleme!" war von J. annonciert worden. Der Vorhafen lag in tiefstem Dunkel - und J. hatte augenscheinlich keine Ahnung, wo´s denn nun hingehen sollte - er war stets am Tag eingelaufen und konnte seine Kenntnisse nun offensichtlich nicht auf den nächtlichen Hafen übertragen. Ich gestehe, dass ich nach vielen Stunden, in denen ich die Unity mehr oder minder solo über die bewegte Adria gesegelt hatte, ob dieses erneuten "Ausfalls" von J.´s Fähigkeiten, ein klein wenig ausfällig wurde. Als der Hafeneingang dann doch noch gefunden war, fiel J.´s nächste Prognose "viel Platz, kann man wahrscheinlich längsseits anlegen" ins Wasser: der Hafen war gerammelt voll. Wir legten uns an ein Pier, das mit Verbotsschildern gespickt war - was ich jedoch erst bei einem Rundgang entdeckte, während meine Crew schon wieder in den Federn lag - NACH ausgiebigem "Anlegeschluck". Am nächsten Morgen waren die Carabinieri zum Glück nicht feindselig gestimmt und bedeuteten uns nur höflich, doch bitteschön in die Marina zu verholen, in der mittlerweile auch ein paar Plätze frei geworden waren. Angesichts der Wetterlage ordnete ich also einen Tag Pause nach diesem ersten (und aufschlussreichen) Törn an. Der Tag verlief fast ereignislos, sieht man davon ab, dass plötzlich direkt vor dem Hafeneingang eine riesige Luxusyacht zu rauchen anfing und das kleine Feuerchen im Bug anscheinend so lange nicht zu löschen ging, bis die ganze Yacht lichterloh brannte (Bild unten links). Am Abend wurde dann das Wrack in den Hafen geschleppt (Mitte). Später bekam die Unity noch Besuch: eine ältere Nauticat gleichen Typs legte neben uns an (rechts).
Den nächste Törn nach Crotone hatte ich nach Wetterlage so berechnet, dass wir mit freundlichen Winden segeln konnten und bei Tag ankamen. Dafür mussten wir am Spätnachmittag auslaufen. Meine Crew blieb noch standhaft bis zum Sonnenuntergang um 21:00 Uhr, danach hatte ich das Schiff wieder für mich: nächtliches Einhand-Segeln (incl. Setzen und Bergen von Kutter und Besan) ist ein besonderes Erlebnis. Zuvor musste ich jedoch R., den bis dahin "zweiten Mann" der Crew aufwecken: der Keilriemen am Motor war augenscheinlich zu locker und musste nun mitten auf dem Meer in stockdunkler Nacht nachgespannt werden. Während wir zugange waren, streckte auch J. den Kopf kurz ins Ruderhaus, konstatierte für sich wohl, dass es da nur Arbeit gab und zog sich wieder zurück (Verantwortung zu übernehmen war anscheinend auch keine seiner Stärken: auch beim nächtlichen Einlaufen in S.M.d. Leuca hatte er umgehend jegliche Verantwortung für seine "Ortskenntnis" abgelehnt, obwohl er angegeben hatte, eine Skipperversicherung abgeschlossen zu haben - die genau für solche Fälle vorgesehen wäre). Kurz darauf zischte von hinten der Verschluss einer weiteren Bierdose, was sich während der Nacht und am nächsten Tag pausenlos fortsetzen sollte: J. veranstaltete ein "Quartalsbesäufnis" - ob das aus Frust über seine in peinlicher Deutlichkeit erwiesene Unfähigkeit geschah, wollte ich gar nicht erst in Erfahrung bringen. Immerhin verkündete er nach der Ankunft in Crotone (bei der Anzahl der zu umschiffenden Gasbohrinseln vor der Küste verschätzte er sich auch um die Hälfte), dass er beabsichtige von Bord zu gehen. Ich verbarg meine Erleichterung nicht, bezahlte ihm noch den Flug nach Korfu und machte, als er zu beabsichtigen schien, bis zur Abfahrt seines Zuges weiterhin unsere Biervorräte zu dezimieren, mehr oder weniger dezent klar, dass sein weiteres Besäufnis nicht mehr zwingend an Bord erwünscht sei. 

 

Bild oben: "Lands End" am Südcap von Crotone

 

Der zweite Mann, R., entschloss sich dann doch, weiter mitzufahren, obwohl er zuvor in einem Anfall von Loyalität angekündigt hatte, ebenfalls von Bord zu gehen. Nun hatte ich also, wie ursprünglich geplant, meine Deckshand. Kaum war J. jedoch von Bord, besserten sich R.´s Einstellung und Verhalten entscheidend und wir konnten den Törn nun endlich als Team fortsetzen. Auch wenn R. noch sehr unerfahren ist und wir in vielen Bereichen einem recht unterschiedlichen Menschenschlag angehören, geben wir uns beide Mühe und der Erfolg wiederum gab uns bisher auch Recht: die nächsten Törns verliefen koordiniert, sicher und effizient. Nach dem Passieren der Gasbohrtürme von Crotone (Bild unten links) machten wir uns auf direktem Wege auf nach Messina (Bild Mitte: Küste bei Messina). Die gefürchtete Straße von Messina passierten wir zwar gegen Wind und Welle, aber relativ unproblematisch, in den Hafen durften wir jedoch nicht einlaufen: der im Plan eingezeichnete Yachthafen war mittlerweile militärisches Sperrgebiet, die neuen Stege "FULL! CLOSED!". Nach 29 Stunden nonstop auf dem Meer eine herbe Enttäuschung. Wir beschlossen, gleich noch den vielbefahrenen "Flaschenhals" im Norden der Straße zu passieren und nach Palermo (unten rechts) weiter zu fahren. Nach weiteren 29 Stunden liefen wir in Palermo ein. Damit hatten wir 58 Stunden lang keinen Fuß an Land gesetzt. Palermo ist dreckig, hässlich und teuer (letzteres obwohl Duschen nur in versifften Containern angeboten werden) - wir blieben trotzdem eine Nacht, um mal wieder ein paar Stunden durchschlafen zu können.
Ursprünglich hatte ich geplant, als nächsten Punkt Cagliari am südlichen Ende Sardiniens anzulaufen. Ein Blick in die Wetterkarte zeigte jedoch, dass, typisch für das Tyrennische Meer im Sommer, in den nächsten Tagen alles ruhig bleiben würde. Heroisch änderte ich den Törnplan: Direkt "quer drüber" von Palermo in den Norden Sardiniens. Ca. 280 Seemeilen am Stück. Am 26. Juli liefen wir morgens um 09:00 Uhr aus dem Hafen von Palermo aus.
Bilder links und rechts: 50 Stunden lang unser Ausblick bei der Fahrt übers Tyrennische Meer: Kein Land, kein Schiff weit und breit, nur Wasser und Himmel. Auf halber Strecke war die "nächstgelegene" Küste 128 Seemeilen entfernt, selbst der Funkkontakt fiel für einige Stunden fast komplett aus. Ich gestehe, dass ich mich doch etwas "mulmig" fühlte....
Am 28. Juli liefen wir am Nachmittag im Hafen "Porto Rotondo" ein - ich hatte ihn gewählt, weil er nicht ganz so teuer wie der Jet-Set-Hafen Porto Cervo, einige Seemeilen weiter nördlich sein sollte. Der Erfolg: die bisher teuerste Hafengebühr meines Seglerdaseins: 108 Euro / Nacht. "Nix wie raus hier!" lautete daher die Devise: am nächsten Abend liefen wir aus, in der Hoffnung, der Wind würde nachts abflauen. Ein Irrtum: er nahm stetig zu. Als wir querab von Porto Cervo waren, hatte der Wind bereits auf 7 Beaufort "aufgefrischt", die Welle baute sich entsprechend auf und das alles "gegenan" - seufzend entschied ich, Porto Cervo doch noch anzulaufen. Die Ansteuerung von Porto Cervo ist bereits am Tag durch viele vorgelagerte Riffe und Untiefen ein Abenteuer. Jetzt war stockdunkle Nacht, hoher Wellengang und Starkwind. Da wo sich Porto Cervo befinden musste, leuchteten so viele Lichter, dass ich der Meinung war, der Hafen befinde sich in der Nähe eines riesigen Industriegebietes. Nur dank Radar, Echolot und nicht zuletzt einem präzisen Kartenplotter konnten wir es wagen, den Hafen anzulaufen. R. hielt Ausschau an Deck, ich beobachtete konzentriert die Instrumente im Ruderhaus. Als ich das nächste Mal aus der Seitentür schaute, hatten wir zu meinem nicht unbeträchtlichen Schrecken bereits die Wellenbrecher des Hafens passiert und vor mir türmte sich kein Industriegebiet, sondern die größte Anzahl turmhoher Megayachten, die ich je gesehen habe - alle erleuchtet wie Christbäume. Dass dadurch die Markierungslichter des Hafeneingangs von See her kaum auszumachen waren, störte offensichtlich niemanden.
Links und rechts: Megayachten in Porto Cervo und Bonifacio: "man" reist nicht mehr ohne Privathubschrauber an Deck....
Die "Harbour-Guards" in Porto Cervo erwiesen sich als völlig unfähig und versuchten, uns breitseits (!) an den Kopf eines nur drei Meter breiten Stegs zu legen - und das, obwohl direkt davor ein freier Mooringplatz wartete. Obwohl kräftig durchgeschüttelt und müde, protestierten wir und konnten uns zuletzt doch noch "ordentlich" an den Steg legen. Am nächsten Morgen versuchte ich, die schlimmsten Überraschungen bei der Berechnung der Hafengebühren dadurch zu umgehen, dass ich das griechische "Transitlog" vorlegte, das uns eine Schiffslänge von nur 10 Meter bescheinigt. Es klappte und dadurch, dass wir auch noch auf Strom- und Wasseranschluss verzichteten, kamen wir mit "nur" 85 Euros davon (statt ansonsten sicher rund 150 Euro - pro Nacht, versteht sich...). Dass wir diesen Hafen schnellstmöglich wieder verließen, war selbstverständlich: um 13:45 liefen wir wieder aus, nachdem wir wenigstens ausgeschlafen hatten - eine Dusche war im ganzen Gelände nicht zu finden. Unsere nächste Aufgabe bestand darin, die berühmt-berüchtigte "Straße von Bonifacio" zwischen Sardinien und Korsika zu überqueren. Um wenigstens nicht allzu viel Welle abzubekommen, schlichen wir zwischen den Inselchen des "Margareten-Archipels" durch. In der Mitte erwischte uns ein Schwarm von ca. 15 italienischen Segelschulbooten. Wir liefen unter Motor, waren also ausweichpflichtig. Die Teenager auf den ca. 8 Meter langen Booten nutzten diesen Umstand nun weidlich aus und fuhren uns mutwillig nicht nur in die Kurslinie, sondern versuchten auch jede Ausweichmöglichkeit abzuschneiden, um eine Kollision zu provozieren. Für sie offensichtlich ein "Heidenspaß", wenn etwas passiert wäre, waren ja die anderen Boote in der Nähe, um die Crew aus dem Wasser zu fischen - mir wurde schwarz vor Augen beim Gedanken an den Ärger, den ich dann bekommen hätte. Welche Eltern erzeugen solch hinterhältige Rotzlöffel? Was für eine Gesellschaft erzieht Kinder zu solch unverantwortlichen kleinen Hyänen? Nicht zuletzt: Welche Segelschule lässt eine solch eklatante Verletzung auch der geringsten seemannschaftlichen Grundregeln zu? Ich gestehe, in vielen Bereichen bleibt mir italienischer Esprit eine befremdliche Unsäglichkeit. Nach Passieren der Margareteninseln war dann entgültig "Schluss mit Lustig": zum Wind von 5-6 Bft. schlug von der offenen See die entsprechende Welle in die Seestraße: es blieb nichts übrig, als die Drehzahl der Maschine zu erhöhen und "DURCH!".
Links: Ansteuerung auf Korsika mit 2-Meter - Dünung. Rechts: Blick auf Bonifacio vom tief in einer Felsschlucht gelegenen Hafen: ich konnte mich nicht mehr dazu überwinden, hinaufzuklettern - die anstrengende Überfahrt hatte meine Kräfte doch etwas strapaziert ...
Im Yachthafen von Bonifacio dann eine Auskunft, die uns mittlerweile nicht mehr überraschen kann: "CLOSED, Fermée!". Weiter vorn in der Felsschlucht hatte ich einen halb leeren Handelskai gesehen: "Contact VHF 15". Ich meldete mich über den Funkkanal und war froh um meine bescheidenen Französischkenntnisse, der Hafenmeister sprach kaum Englisch (dass er überhaupt ein paar Brocken konnte, war nach den Erfahrungen in Italien schon fast ein Wunder...). 50 Euro Gebühr! - d´accord! (einverstanden) - kein Wasser! - d´accord! - kein Stromanschluss! - d´accord, d´accord, dáccord! Mein Gesprächspartner lachte schallend - unser Bedarf nach einem Hafenplätzchen war offensichtlich. Er kam zum Kai, nahm uns freundlich die Leinen an und überreichte das übliche auszufüllende Formular. Als ich es später in sein Büro bringen wollte, war er eben dabei, Feierabend zu machen und sich auf sein Mopet zu schwingen. "das hat auch morgen noch Zeit" bedeutete er mir. Ich entgegnete, dass wir beabsichtigten, früh auszulaufen. "nun - der Kollege kommt um sieben Uhr - wenn Ihr da nicht mehr da seid ..... seid ihr eben nicht mehr da" wurde mir mit verschmitztem Augenzwinkern mitgeteilt. Ich bedankte mich herzlich, um 06:30 am nächsten Morgen lief die Unity aus dem Hafen von Bonifacio aus....

 

Bild oben: Ansicht der Altstadt von Bonifacio von der Seeseite

 

Auf der Weiterfahrt hatten wir endlich wieder einmal einen herrlichen Segeltag: Wind aus der richtigen Richtung mit freundlichen 3-4 Bft. Stärke. R. bekam davon leider wenig mit: das halbe Glas Wotka, mit dem er am Vorabend sein Bier nachspülte, musste "irgendwie schlecht" gewesen sein - kurz nach dem Auslaufen verschwand er wieder in der Koje. Unsere nächste Station hieß Ajaccio - im Norden Korsikas war Starkwind prognostiziert. Auch in Ajaccio waren beide Häfen rappelvoll, wir verlegten uns in die Bucht vor dem Hafen und liefen am nächsten Morgen aus, um weiterzufahren nach Calvi im Norden der Insel. Als am Eingang des Golfs von Ajaccio die vom offenen Meer kommende Dünung so hoch war, dass wir im Wellental die Berge der nahen Küste nicht mehr sahen, "verzichteten wir weise auf den Rest unserer Reise" und vergrümelten uns eilig hinter den (mäßigen) Schutz einiger Inselchen und Felsriffe am Eingang der Bucht um dort zu ankern und auf besser Wetter zu hoffen, während sich der Himmel bewölkt hat, ab und zu etwas Regen fällt und der Schwell keine Minute aussetzt. Mindestens 1-2 Tage Verzögerung so relativ "kurz" vor dem Ziel unseres 1000-Meilen-Törns machen mich etwas ungeduldig - aber Seefahrt muss eben, auch unter diesem Aspekt, manchmal einfach "durchlitten" werden - besonders auf einem Überführungstörn...

 

In der Rubrik "Das Letzte" noch etwas zum Thema "Skipper": Um den Kreis vom Anfang dieses Logbuchs zu schließen, eine Anekdote aus dem Vorfeld unserer "Seejahre": Vor dem Ankauf der "Unity" hatten wir eine Nauticat in England ins Auge gefasst und suchten einen Skipper, der uns helfen sollte, die Yacht über den Kanal ins "Isselmeer" zu bringen. Es kamen so absurde Angebote, dass wir zuletzt vom Kauf der Yacht absahen. Das originellste: Der Skipper fährt nur mit, wenn ER statt der Gattin mit in der Eignerkabine schlafen darf - so fühle er sich weniger als "Drittes Rad am Wagen" - der Törn wäre die "Hochzeitsreise" von Elisabeth und mir gewesen..... Nach unseren Erfahrungen spottet jeder Beschreibung, was sich teilweise in dieser Szene herumtreibt. Ohne ein Freund allzu intensiver Regulierung zu sein, überlege ich mittlerweile, ob eine offizielle Erstellung und Überprüfung minimaler psychischer, geistiger und körperlicher Standarts für Menschen, die sich anbieten, die Verantwortung für Boot und Leben anderer Menschen zu übernehmen,  nicht wünschenswert wäre...

Nachtrag, 04. August 2006, 20:30 Uhr: Durch einige drängende berufliche Nachfragen verleitet, versuchte ich heute, entgegen meiner seemännischen Erfahrung, doch, unsere Weiterfahrt zu erzwingen. Als wir die bereits sehr wilde Brecherzone zwischen zwei gefährlichen Riffs passiert hatten, erwartete uns auf dem Meer eine Welle, die fast so hoch war, wie der Hauptmast (12,50 m). Wir waren gezwungen, einige Zeit gegenan zu motoren, bis sich eine Möglichkeit ergab, uns mit einer schnellen Kehrtwendung den Rückweg in die Bucht zu erkämpfen. Wäre das Schiff aus irgendwelchen Gründen quergeschlagen, wäre es unweigerlich durchgekentert, was wir mit größter Wahrscheinlichkeit mit dem Leben bezahlt hätten. Der Vorfall erinnerte mich wieder sehr eindrücklich daran, dass auf dem Meer nichts zu erzwingen ist und keine berufliche oder anderweitige "Wichtigkeit" seemännische Umsicht außer Kraft setzen sollte. Das Meer verzeiht es nicht, wenn die Achtung vor seinen Gegebenheiten beiseite gelassen wird. Ein erfahrener Kapitän wiederholte in einem Gespräch vor einigen Jahren immer wieder sehr eindringlich: "Verlieren Sie NIE die Achtung vor dem Meer!".  Heute wurde ich sehr eindringlich an diese Worte erinnert.