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Sonntag, 10. August 2003 - Lefkas / Insel Lefkas * Pia ist von ihrer Operation (s. 08.) wieder halbwegs genesen, wenn auch noch etwas ermattet. 2 Nächte und einen Tag schlief sie fast komplett durch. Dafür entwickelte sie heute einen riesigen Appetit, der mit einigen gekochten Rinderknochen bedient wurde.

Ansonsten nutzen wir den ruhigen Tag zum Lesen und Arbeiten. Wir haben so viele Mails zu beantworten und zu schreiben (Elisabeth mehr privat, ich die erfreulicherweise immer mehr werdenden Anfragen und Bestellungen von Drucken). Da wir unseren Internetanschluss an Bord haben, geht das auch sehr komfortabel - teilweise sogar, während wir unterwegs sind. Gelesen werden nicht nur gute Romane von denen wir ein paar hundert mitgenommen haben, sondern auch philosophische Werke, die uns viele geistige Anregungen vermitteln und helfen, Dinge des eigenen Lebens und der Zeitläufte in neuem Licht zu bedenken.

Überhaupt hat dieses "Bedenken" eine äußerst wertvolle Qualität. Innehalten, still sein. Wir haben einen 20 jährigen, erfolg- und ereignisreichen Lebensabschnitt hinter uns gelassen. Jetzt ein paar Gedanken über das was war, bei manchen Geschehnissen erst langsam Zusammenhänge begreifen, Situationen einordnen. Dazwischen sind die ganz praktischen Erfordernisse unseres Alltags eine erfreuliche Abwechslung. Bastel- und Pflegearbeiten am Schiff, Verproviantierung und dann wieder: Ablegen, Seekarten studieren, unterwegs sein, Routen suchen zwischen Inseln, Buchten, Riffen, Untiefen, bis wir gespannt in einen neuen Hafen einlaufen.

 Was inzwischen recht gelassen geht: die anfangs gefürchteten Anlegemanöver. Sie klappen inzwischen so präzise und ruhig, dass wir sogar mitunter Lob von anderen Skippern bekommen, die, wie wir inzwischen auch, eine gewisse Sicherheit und Routine auf anderen Booten zu schätzen wissen - wir haben inzwischen katastrophale Anlegemanöver miterlebt. Andere Boote wurden gerammt, der Anker der Nachbarn noch vor dem Anlegen durch den falsch gelegten eigenen Anker herausgerissen (sehr lästig, da das andere Boot dann ebenfalls ein komplettes An- und Ablegemanöver absolvieren muss, um seinen Anker neu zu werfen - besonders willkommen, wenn man grade arbeitet oder beim Essen sitzt). Teilweise ziehen sich bei "Chaoten-Crews" die Anlegemanöver bis zu Stunden in die Länge, weil so ziemlich alles falsch gemacht wird und die Crews der benachbarten Boote dann die ganze Zeit in "Hab-acht-Stellung" verharren müssen, um ihr eigenes Boot vor dem Schlimmsten zu bewahren. Und das passiert nicht nur bei Anfängern oder charternden GelegenheitsSkippern. Ob die Seefahrt bei diesen alltäglichen Katastrophen (man kann sich leicht vorstellen, was dann "draußen" alles passiert) noch großen Spaß macht, bleibt dahingestellt. Wir helfen natürlich, wo wir können und üben uns in guter "Seemannschaft", auch wenn diese, interessanter Weise oft gerade bei den "Chaoten", nicht überall "in Mode" ist. 

Die zweite Gruppe solcher "Modemuffel" sind oft (Ausnahmen bestätigen die Regel) Crews von Motoryachten - oft nach der Regel "je größer, je schlimmer". Ich habe früher viele Segler über diese Spezies klagen hören. Meine Erfahrung: ALLES (und noch viel mehr) ist wahr. Wenn sich diese Menschen (meist  italienischer Nationalität) mit ihren donnernden Ungetümen den Stegen nähern, hofft jeder Segler, neben dem noch eine Lücke frei ist, dass er nicht ihr Opfer wird. Alleine der brüllende und fauchende Lärm, bis die Monstren angelegt haben ist furchterregend (Motoren mit 3000 PS und mehr sind keine Seltenheit - selbstverständlich nur ungenügend schallgedämpft). Danach hat man eine mehrere Meter hohe Plastikwand neben sich und weiteren Lärm von dieselbetriebenen Stromaggregaten (für Klimaanlage, Kühl- und Gefrier(!)schränke, Festbeleuchtung innen und außen, Breitwandfernseher etc), deren Leistung die unserer (Antriebs-)Motoren oft noch immer um ein Mehrfaches übersteigt. Rücksichtslose Manöver auf See und beim Anlegen gehören anscheinend zum guten Ton dieser Kaste. Durch Häfen und Buchten zu brettern, dass vom aufgeworfenen Wellengang alle anderen Boote herumgeworfen werden, sich Masten verheddern und Gangways zerschlagen werden, ganz zu schweigen. Es gab schon viele schwere Verletzungen, weil Segelcrews in ihren Schiffen von diesen im Hafen nicht erwarteten Wellen auf und unter Deck umhergeschleudert wurden und schwere Verletzungen davontrugen. 

Zwei weitere Beispiele von MotoryachtEtikette: Im teilweise sehr engen und flachen Kanal von Lefkas der rechts und links durch gefährliche Untiefen begrenzt ist und in dem eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 4 Knoten gilt, muss äußerst vorsichtig gefahren werden, besonders wenn Gegenverkehr herrscht. Bei einer Durchfahrt herrschte äußerst reger Verkehr in beide Richtungen. Alle Schiffe fuhren vorsichtig und aufmerksam bis hinter uns eine riesige Motoryacht mit der Höhe eines dreistöckigen Hauses schnell aufholte und im dichtesten, und damit ohnehin gefährlichen, Verkehr rigoros überholte. Alle anderen Schiffe hatten damit zu kämpfen, beim Ausweichen nicht in die seitlichen Untiefen zu geraten, oder von der gewaltigen Bugwelle des Monstrums in diese abgetrieben zu werden - das Schiff fuhr mindestens das Doppelte der zulässigen Geschwindigkeit. Aber auch kleine Boote wissen sich unangenehm bemerkbar zu machen - und sei es durch dilettantisches und/oder rüpelhaftes Benehmen im Hafen: Eine Lücke von ca. 1 Meter und ein Motorboot mit einer Breite von 3 Metern, das unbedingt in diese Lücke will? Kein Problem: Voller RückwärtsSchub und alle anderen Schiffe rechts und links werden beiseite gedrückt, dass die Fender quietschen und die zuvor mit Ankerkette und Landleinen sorgfältig ausgerichteten Boote krumm und schräg liegen. 

Zu meinem Leidwesen muss ich das Resumée ziehen, dass die meisten Motorbootfahrer, zumindest was ihre Auffassung von Seefahrt betrifft, einer Geisteshaltung zuzurechnen sind, die nur als "abstoßend" bewertet werden kann. Auch der Treibstoffverbrauch wirft dabei kein gutes Licht auf diese Dinosaurier: 300 Liter (!!!) Verbrauch pro Betriebstunde (kein Tippfehler) und mehr sprechen angesichts ökologischer Debatten von einer Ignoranz und unappetitlichen Arroganz, die schwerlich Sympathien aufkommen lässt. Die meisten Motoryachten haben keine Namen (was ihrem unsympathischen Wesen entspricht). Wir wurden auf offener See von einem Boot, das unsere Vorfahrt grob missachtete und uns gerammt hätte, wenn wir nicht im letzten Augenblick ausgewichen wären, in große Gefahr gebracht und wollten uns für eine evtl. Anzeige den Schiffsnamen notieren, der jedoch nirgends zu entdecken war - danach dämmerte uns, warum auf fast keinem der Rabaukenboote ein Name steht. Viel wird sich an diesem Unwesen wohl nicht ändern: was außerhalb einer Zone von wenigen Meilen vor der Küste passiert, interessiert kein Land - und hier im Süden schon gar nicht. Wir haben inzwischen von Seglern gehört, die sich bewaffnen, um sich mit (im wahrsten Wortsinn) Schüssen vor den Bug vor den MotorRambos zu schützen - Wildwest im Mittelmeer.