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Vom Heldentum

Ich glaube an die Macht des Vorbildes. Der beste Weg zum Selbst ist die Faszination durch ein anderes Selbst; die lebende Illustration, wie einer sich traut, Er zu sein. Ludwig Marcuse

 Reden wir über Helden -. War das nicht jener Eine, der sich in die Bresche warf, um eine Gemeinschaft, oder ein Ideal vor barbarischem oder vandalistischem Angriff zu schützen? Der Eine, der sich dem Gegner stellte; und das Heiligste, das es zu beschützen galt, war stets der jeweilige Stand einer jeweiligen Zivilisation, oder deren Ausbreitung und der größte Feind war stets die Barbarei, die Unkultur, das Ungezügelte, die Wildnis, - letztendlich: die Natur ? Die Natur, die es - von höchster geistlich - moralischer Instanz abgesegnet ,,sich untertan zu machen" galt.

Spätestens seit mir ein Portraitfoto des neuesten ,,Helden" in die Finger geriet, auf dem ein Mensch abgebildet war, wie er normalerweise nur in der Figur des korrupten Sheriffs in B - Movies auftaucht, muß ich argwöhnen, daß man - zumindest in Anbetracht dieses Norman Sch. - einem einigermaßen intelligenten jungen Menschen weder ,,Held" als Lebensziel empfehlen kann, noch vormachen, daß Helden dieses Kalibers irgend etwas vor irgend etwas schützen. Und so beginnt das Ende des Heldentums wohl dort, wo es notwendig erscheint, die Zivilisation vor ihren ,,Helden" schützen zu müssen.

Denn vor einer feindlichen ,,Natur" gilt es nichts mehr zu schützen. Weil sie nicht mehr existiert. Zumindest nicht in der Form, in der wir zu ihrer Bezwingung ,,Helden" benötigten. Der Urwald wird in kontrollierten Reservaten geschützt, der Grizzly macht Männchen im Zoo, und die ,,Barbaren" sterben dahin, geschlagen von Unterernährung und obskuren Seuchen, unter mäßiger Anteilnahme der übrigen ,,Menschengemeinschaft". Interessant wird die Sache in den Zonen, die zu ,,kultiviert" zum Verrecken in hilfloser Unwissenheit und zu unterentwickelt zum ,,fairen Kampf mit steifer Oberlippe" sind.

Hier beweist Norman, im Handgepäck alle Segnungen der Kultur von Pepsi über "Playboy" bis zum Raketenwerfer, daß Zivilisation, wenn sie gereizt wird, auch ganz entschieden unzivilisiert werden kann, - unter Anwendung all ihrer Errungenschaften, versteht sich.

In Augenblicken solch barbarischer SchlammSchlachten erwacht noch einmal der Held, - auch wenn er ansonsten selbst der Zigarettenwerbung suspekt geworden ist.

Mindestens so peinlich wie ein Interview mit Spitzensportlern wird die Sache jedoch erst, wenn man den Helden nach seiner Heimkehr auf Vortragsreisen den Mund aufmachen lässt. Es ist ohnehin das Armutszeugnis einer Zivilisation, wenn bestimmte Dinge doch wieder unzivilisiert geregelt werden müssen. (Aber Vorträge vor Managern? Ich denke, die wenigsten Menschen im World Trade Center werfen sich gen Mekka oder sonstwohin in den Staub...).

So stirbt der ,,Held" mangels Wildnis und siehe - das Ereignis ist überfällig. Denn schon seit geraumer Zeit ernährt sich der Mensch nicht mehr von aus der Wildnis Erjagtem und Abgetrotztem - nicht einmal im übertragenen Sinn, sondern entwickelt sich fast ausschließlich ans seinen eigenen Vorgaben. Spätestens seit dem ersten Märchenerzähler der Geschichte passieren die meisten Abenteuer im Kopf und seit der Mensch nicht mehr durch den Kampf gegen ,,Wildnis", die nur noch als "ökologisch notwendiger Nippes" existiert, abgelenkt ist, beginnt er langsam, dieses Abenteuer zu erahnen, in dem die überlegenen Waffen und Werkzeuge ziemlich nutzlos erscheinen, die er glaubte, zu besitzen.

Und überhaupt -: ,,besitzen".... Wo Werte mehr und mehr im Kopf entstehen, wird ,,Besitz" in zunehmendem Maße übertragbar. Schon Goethe notierte: ,,Was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen...". Es deucht, als ob auch er schon meinte, Erkenntnis könne wohl kaum wie ein Biedermeierstuhl von einer Generation zur anderen weitergereicht werden, - vollends, wenn die nächste Generation im ,,Stil" schon längst von ,,LouisXV" zu ,,Louis Armstrong" weitergeeilt ist.... Denn geistige Errungenschaften kennzeichnet eine ungleich größere Eigendynamik, als dies von materiellen Werten gewohnt ist. Und wo der Wert von Gegenständen aufhört, wird ,,Besitz" im herkömmlichen Sinn zu einem veralteten Relikt: Wo der Besitz eines PKW nur noch unnötig Kapital bindet, ist das Wissen über aktuelle Leasingkonditionen, Mietwagenfirmen und Intercity-Reservierungen der wertvollere Besitz. Und der ist - als immaterieller Wert - höchst dynamisch > Morgen hat die Mietwagenfirma einen neuen Sitz und in einer Woche gibt es einen neuen Fahrplan.

Information als wichtigster Wert und Dynamik als Zustand. Gerd Gerken nennt das ,,Optionalismus", wenn er es auf das Gebiet der Metaphysik überträgt. In Gegebenheiten, in denen der Mensch immer stärker aus seinem eigenen ,,Cyberspace" heraus evolutioniert, kann in einer wachsenden Dynamik keine Standortbestimmung im Sinn einer statischen Ortsangabe mehr gemacht werden, sondern in Weiterentwicklung eine Zustandsbeschreibung unter Berücksichtigung von Richtung und Geschwindigkeit. Statische Standortbestimmung wäre Ausrichtung der Intensionen auf "Gegenwart" und diese ist im Prozeß dynamischer Abläufe nur ein Abfallprodukt von ,,Vergangenheit". Die Taxierung von Wertigkeiten wird sich immer mehr verlagern auf das Wissen um die Qualität dynamischer Abläufe und ihre Beeinflussung mit Hilfe von verarbeiteter Information.

An diesem Punkt könnte man konstatieren, daß die Natur - sowohl als Wildnis des Helden, wie als Kuscheltier von ,,Sofa - Ökos" - weder relevant noch überhaupt auffindbar ist. Willkommen im cleanen Cyberspace der Prozessabläufe? Spätestens seit Spitzen - Mathematiker erstaunt zugeben, daß eine Weiterentwicklung ihres Fachgebiets fast nur noch unter ZuhilfeNahme von Grenzwissenschaften und Mystik möglich ist, müssen wir zur Kenntnis nehmen, daß sich nur die Dimensionen geändert haben. Plötzlich mutiert der Kampf ums Überleben, den die Zivilisation so erfolgreich geschlagen wähnte, zum Kampf gegen die genetische Zeitbombe im Hinterkopf und Zwischenhirn, wo selbst die Entschlüsselung der DNS nur Auskunft über das ,,wo" aber nicht über das ,,wie" oder gar ,,warum" gibt. Und genau bei diesem Sprung in eine neue Dimension wird eine Änderung der Werkzeuge notwendig.

Wenn dynamische Abläufe an die Stelle von archaischer Statik rücken, ,,Chaos" eine rechnerische Größe wird, die nur noch ,,fuzzy" zu steuern ist, muß eine Wandlung des ,,Motors" von Intelligenz zu Klugheit stattfinden. Genealogisch dargestellt, eine Entwicklungsreihe von Information zu > Wissen, zu > Weisheit, zu > Ethik.

In diesem Land steht unser ,,Held" plötzlich da wie ein Dinosaurier im RokokoSalon und hantiert wie ein Grobschmied beim Uhrenreparieren. An seine Stelle ist ein Anderer getreten: DER SOUVERÄN. Er beherrscht Abläufe, weiß Information nicht nur zu verstehen, sondern auch zu deuten. Der Souverän sieht keine archaischen Feindbilder, sondern anspruchsvolle Problemstellungen, und er wird diese nicht mehr symptomatisch bekämpfen, sondern lernen, sie kausal zu beeinflussen. Er wird sich selbst nicht mehr als ,,Fels in der Brandung" sondern als Bindeglied im Netzwerk verstehen, in dem der Wert isolierter ,,heldischer" Einzelaktionen nicht mehr existieren darf, weil er nur Schaden anrichtet.

DER SOUVERÄN IN EINEM DYNAMISCHEN NETZWERK:

ein Ziel - nicht erst für "morgen".