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Paros - Blick über Stadt und Ankerbucht

Insel Paros, 04. Oktober 2004

Seit gestern ist der Starkwind endgültig da, heult über den Hafen und pfeift in allen Tonlagen durch die Wanten. Wir genießen unseren sicheren komfortablen Hafenplatz: Nach uns kamen noch neun Boote, die nun am gegenüber liegenden Teil der Bucht vor Anker liegen und durchgeschaukelt werden. An ein Auslaufen wird auch für die nächsten drei Tage nicht zu denken sein und dann ist die Frage, ob man nicht noch einen Tag anhängt, weil von einem solch starken und lang anhaltenden Sturmgebiet "draußen" eventuell noch relativ hohe "alte" Welle vorhanden ist. Wir stellen uns schon mal auf eine Weiterfahrt am Samstag ein und hoffen, dann ein paar ruhige Tage zu bekommen, um über die Insel Sifnos nach Milos (wo die schöne "Venus von Milo" beheimatet ist) zu segeln und von da aus zurück zum Pelepones nach Monemvasia. Dann sind "nur noch" die beiden Südkaps zu meistern. Ob wir´s wohl noch schaffen, vor Anfang November in Kalamata zu landen? Risiken werden wir jedenfalls wo irgend möglich vermeiden; wir haben die Zeit, vorsichtig zu sein und bedauern einstweilen zugegebener Maßen etwas scheinheilig die "armen Charterer", die jetzt hier festgehalten werden: Wer gestern ein Boot für eine Woche übernommen hat, kann am Samstag, wenn wieder definitiv Ruhe eingekehrt ist, grade mal vom Ankerplatz in der Bucht eine halbe Seemeile hier her zurück fahren, um das Boot zurückzugeben. Na, wie war der Segelurlaub? Einmal Bucht hin, fünf Tage Geschaukel vor Anker, einmal 900 Meter zurück ans Pier. .... Wer den Schaden hat, spottet eben jeder Beschreibung..... oder wie es ein deutscher Liedermacher in den 70ern so gemein konstatierte: "... aber komisch ist es doch, wenn einer auf die Schnauze fällt....". Außerdem haben wir ähnliches teilweise auch selbst so erfahren: Eine Woche Charter auf der Ostssee, davon 3 Tage "eingeweht" in Marstall (Insel Aerö, DK). Wir haben lange Spaziergänge gemacht, die hübsche Altstadt erkundet, gemütlich gelesen, sind gut essen gegangen und hatten, als wir weiter fuhren nicht das Gefühl, unsere Zeit vergeudet zu haben. Eine knappe Woche Starkwind ist dann allerdings doch etwas bitter, wenn die ach so begrenzten "schönsten Tage des Jahres" dabei mit 8-9 Beaufort weggewirbelt werden - aber wer im Herbst auf die Kykladen kommt, muss damit ohne weiteres rechnen.

Ankerbucht vor dem Hafen

Dienstag, 5.Oktober, Vierter Sturmtag. Ein Eintrag in der beliebt-berüchtigten Kategorie "Das Letzte": was schreib ich hier bedauernd über Charterer, die nicht auslaufen können? Ich muss mich zum Konjunktiv korrigieren. Es gibt anscheinend immer mehr Menschen, die die Philosophie ihres Handelns direkt aus den zweifelhaften Slogans von Werbekampagnen beziehen und so das Prinzip "Nichts ist unmöglich!" zumindest zum Motto ihres Charterurlaubs nehmen - mit entsprechenden Resultaten.  Der Unglaube ist mir ja bereits in den biblischen Sinn meines Vornamens gelegt und so konnte ich auch nicht glauben, dass jemand so schwachsinnig ist, bei diesem Sturm auszulaufen. Am Samstag wurde mir dann mein Unglaube fett auf´s sprichwörtliche Brot geschmiert: Ich schreckte von der Arbeit am Computer auf, weil auf dem Boot neben uns eine exaltierte Dame in Hurra-Geschrei ausbrach. Den Anlass für diesen juvenilen Überschwang bildete die Tatsache, dass das 11-Meter-Bötchen sich anschickte, mitten in den sich immer weiter steigernden Sturm hinein auszulaufen. Der erste Teil der Reise fand ihren Höhepunkt nach 30 Metern mitten im Hafenbecken, als noch schnell der Anker eines anderen Bootes durch dilettantische Manöver ausgerissen wurde. Dann verschwand das Boot in Richtung der offenen See und die Qualität dessen, was dieser Crew draußen wahrscheinlich widerfuhr, lässt sich mühelos an zwei ähnlichen Booten ablesen, die gestern spätabends (!) in den Hafen (!) schlichen. Allein die Tatsache, dass, nachdem offensichtlich der Törn falsch geplant war, bei Dunkelheit und Sturm in einen unbekannten überfüllten Hafen eingelaufen wurde, wenn die Möglichkeit besteht, für´s erste in der relativ geschützten Bucht zu ankern, um am nächsten Morgen zu sehen, was im Hafen möglich ist, spricht für sich. So kam zuerst ein Boot an, das mit seinem Begehren, in dem winzigen Hafen noch ins Päckchen genommen zu werden, den halben Hafen "aufmischte". Das anschließende Geschehen sprach Bände: Drei der fünf Crewmitglieder, darunter eine Frau, verließen sofort fluchtartig und grußlos das Boot ohne sich noch um irgendetwas weiter zu kümmern, ein weiteres Crewmitglied half dem Skipper noch das Boot zu klarieren. Danach stiefelte er, um an Land zu kommen, mit schweren Schuhen über das neu verlegte Teakdeck einer liebevoll renovierten 18-Meter-"Swan", deren Crew nie mit Schuhen ihr Schiff entert. Am Pier wartete er dann auf (vermutlich) den Skipper, der sich jedoch nicht vom Boot bewegen wollte und kommentarlos im Schiffsinneren verschwand. Die Übersetzung: Ein Möchtegern-Seebär hat eine unerfahrene Crew dazu überredet, bei unmöglichem Wetter auszulaufen und sie dann mal kurz so durch die Hölle geschaukelt, dass den armen Mitseglern nach dem Anlegen nur noch daran gelegen war, schnellstens von Bord zu kommen - was unterwegs so an "Freundlichkeiten" ausgetauscht wurde, ließ sich an der betonten Nicht-Kommunikation im Hafen leicht ablesen. Einen Vasallen hatte der Freak wohl, mochte sich diesem aber in beleidigtem Trotz (oder sollte es etwa Scham über den geleisteten Blödsinn gewesen sein?) nicht anschließen, als der sich nach Klarieren des Bootes aufmachte, um die geflüchteten Crewmitglieder in den Tavernas am Hafen suchen zu gehen.

Der Hafen mit Kap am Eingang zur Ankerbucht; rechts im Bild unser Liegeplatz

Noch später (so spät, dass wir sie nicht mehr mitbekamen, also nach ein Uhr nachts) hat eine weitere Crew ihren Katastrophentörn damit beendet, dass sie ohne etwas sehen zu können an einem Pier anlegte, das an vielen Stellen nur einen halben Meter Wassertiefe aufweist. Gott liebt anscheinend zuweilen die Armen im Geiste: sie fanden trotz Dunkelheit eine etwas tiefere Stelle. Sicher liegt das Boot an dieser Stelle aber nicht - beim kleinsten Schwell kann der Kiel aufsitzen (wenn er das nicht bereits tut). Was "draußen" passierte, offenbart alleine schon der Zeitpunkt des Einlaufens. So gnadenlos kann sich keine Crew bei der Törnplanung verschätzen - das Boot muss von Sturm, Welle und eventuell vorhandener Gegenströmung in alle Richtungen gehetzt worden sein. Als Beleg dafür, dass nicht einmal rechtzeitig gerefft worden ist, liegt das Segel des Rollfocks als wirrer Haufen auf dem Vordeck und die Reffleine ist abgerissen. Sprich: die Crew dachte erst daran, etwas Tuch wegzunehmen, als der Winddruck ein Einrollen des Segels nicht mehr zuließ und musste dann das wild schlagende Vorsegel eben "irgendwie" aus der Schiene der Rollreffanlage zerren. Damit wird klar, warum auf Charterbooten zumeist nur das billigste Tuch vorhanden ist: ein Vercharterer erzählte mir, dass Chartercrews nach höchstens zwei Saisons (oft viel schneller) die Segel zuschanden gefahren haben.

Kap und Riff am Eingang der Hafenbucht

Noch eine Bemerkung in eigener Sache: Warum schreibe ich solche Beobachtungen auf? Einesteils natürlich, weil´s enormen Spaß macht, "abzulästern", wobei selbstverständlich klar sein muss, dass auch uns immer wieder mal ein Missgeschick passiert und wir ganz sicher nicht die tollsten Segler sind (welche Kriterien allerdings zur Verleihung dieses Prädikats zugrunde gelegt werden müssten, darüber ließe sich trefflich diskutieren). Andererseits war ich im Vorfeld unserer Reise sehr froh, Berichte anderer Segler im Internet zu finden. Ich habe viel daraus gelernt - auch und gerade, wie man´s nicht machen sollte. Im Übrigen gebe ich mich der vielleicht naiven Hoffnung anheim, dass trotzdem nicht der Eindruck entsteht, hier segle ein griesgrämiger Mensch durch die Gegend, der alles um ihn her mit bissiger Kritiklust beobachtet. Aber ständig nur zu schreiben "Ach ist das alles schön hier und alle sind so nett" wäre erstens eine Vorspiegelung falscher Tatsachen und zweitens - zum Gähnen langweilig. Wie nannte ein berühmter New Yorker Kunstkritiker einen Sammelband seiner Werke? ".... denn ich bin nichts, wenn ich nicht lästern darf". Voila ....

Die Altstadt von Paros

P.S.: Die Bilder dieser Seite entstanden bei einem kleinen Ausflug, den wir auf einen der Hügel der Umgebung gemacht haben.

PPS.: Solche und ähnliche Beobachtungen haben mich bereits vor einiger Zeit zu einem Essay über Charterskipper "verleitet"...

PPPS.:

Unter dem Motto "Das glaubt uns doch sonst keiner" links das Beweisphoto: Ein Chartersegler kommt von "draußen" in die Bucht und "knallt" sein Boot bei ordentlich Welle ohne Not flach auf Legerwall (s. GR-Flagge) außen an die Hafenmauer. Wohlgemerkt: bei 7 Beaufort! Dem Herrn in Rot sei zur Überlegung empfohlen, dass die Kraft eines Beines bei Weitem nicht ausreicht, um mehrere Tonnen Schiff, die breitseits mit 7 Windstärken ans Pier gepresst werden, freizuhalten, dass wiederum aber die entstehenden Kräfte völlig ausreichen, um ein vom wild schaukelnden Boot abgerutschtes Bein zwischen Bootsrumpf und Pier krankenhausreif zu quetschen. Die schweizerische Crew (breitester Dialekt, aber unter D-Flagge (???) - s. Bild) erstrahlte im schicksten Designer-Outfit, zerrte die Relingsstützen schrottreif, mimte jedoch die personifizierte Überlegenheit. Den Rest des Anlegemanövers beobachteten wir entgegen unserer sonstigen Gewohnheit unbeteiligt.