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Zur Zeit befahren wir offensichtlich das "griechische Ruhrgebiet": Entlang der attischen Küste und der gegenüber liegenden Insel Euböa säumen Industriegebiete und dicht besiedelte Landstriche die Küste.

 

Aliveri (Insel Euböa), 07. Juni 2005

 

 

Endlich sind wir auf dem Weg nach Norden in Richtung der Inselgruppe der Sporaden durch die ca. 100 Seemeilen lange Seestraße zwischen der Halbinsel Attika und der gegenüberliegenden langgestreckten Insel Euböa. Unsere erste Anlaufstelle nach Umrundung der Südspitze Attikas mit dem hoch auf dem Kap thronenden Poseidontempel war der Hafen von Lavrion. Er ist eher industriell geprägt, auch wenn es einige Yachtstege gibt. Wir hatten die Empfehlung bekommen, ganz am Scheitel des Hafens fest zu machen - prompt hatten wir das nächste "Bumslokal" quer über die Straße am Heck. Da wir jedoch nur eine Nacht bleiben wollten, ertrugen wir den Krach, der zum Glück an einem Wochentag nicht allzu schlimm war - das Wochenende bringt meist eine Verdopplung des Schallpegels.

Der Hafen von Lavrion - sieht auf dem Bild idyllischer aus, als er in Wirklichkeit ist

 

Am nächsten Tag brachen wir früh auf. Für die zweite Tageshälfte waren Gewitter angesagt, denen wir keinesfalls auf offener See begegnen wollten. Aber wir hatten via SMS erfahren, dass im nur 16 Seemeilen entfernten Porto Rafti Heide und Peter mit ihrer Cats vor Anker lagen und da wir sie seit über einem Monat nicht mehr gesehen hatten, war die Lust auf einen Tratsch größer als die Vorsicht.

Das Wetter "draußen" sah nicht allzu vertrauenerweckend aus.

Als wir in die Bucht von Porto Rafti (im Bild rechts im Hintergrund) einfuhren, bildeten die Wolken bereits einen "lehrbuchmäßigen" Gewitterambos über dem Land. Das war knapp.... Im kleinen Hafen fanden wir keinen Platz, zumindest keinen, der uns zugesagt hätte. Also machten wir an einer Boje am Rande der Bucht fest. Nachdem ein Tauchgang geklärt hatte, dass die Boje vertrauenerweckend war, beobachteten wir am Abend relativ gelassen, wie über der attischen Halbinsel das angesagte Gewitter niederging.

Den nächsten Absatz muss ich mit einem Lieblingsausspruch meiner Mutter beginnen. Sie war stets eine glaubensstarke und fromme Frau, die überzeugt davon war, dass sie auch Begebenheiten, die ihr eigentlich nicht unbedingt zusagten, wie in der Geschichte von Hiob von Gott als persönliche Prüfung geschickt bekam und damit als eine Sprosse ihres ganz eigenen Leiterchens ins Himmelreich anzusehen habe. Also erfolgte bei solchen Gelegenheiten umgehend in einer Mischung aus Pathos und Ergebenheit "....auch dies - zu meiner Demütigung....", was bei mir und meinen Geschwistern stets für so viel Heiterkeit sorgte, dass auch bei unserer lieben Mutter der pathetische Anflug meistens umgehend wie ein kurzer Sommerregen verflog. Am zweiten Tag in Porto Rafti (wir blieben insgesamt vier Tage um Starkwinde "abzufeiern") versagte uns nun der Kühlschrank den Dienst. In diesen Breiten bedeutet das auf der Skala möglicher technischer Pannen nach einem Knockout des Schiffsdiesels das zweitlästigste Ereignis. Frische Lebensmittel auf einem Schiff ohne Kühlmöglichkeit zu lagern, ist fast unmöglich und wie man aus alten Seefahrerberichten weiß, ist wiederum ein Seeleben ohne Vitamine und ausgewogene Kost eine äußerst ungesunde Angelegenheit. Bereits an dieser Stelle wäre also der Spruch meiner Mutter selig unbedingt angebracht gewesen. Aber es kam noch schlimmer.

Ankerbucht von Porto Rafti. Der Ort besteht hauptsächlich aus Ferienappartements von Menschen, die wochentags in Athen arbeiten und ist daher überwiegend unbewohnt und mit dem Charme jeder "Betonburg", sei es in Italien, Spanien oder Burgtiefe (Fehmarn) versehen.

 

Noch einmal, wie in Aigina, wurde mir ein geliebtes Vorurteil aus unserer ersten Zeit in Griechenland (s. Aufsatz "Der Specialist") zu Konfetti zerbröselt, was ich irgendwie als ziemliche Gemeinheit empfinde, auch wenn das Resultat sehr erfreulich war. Ohne große Hoffung setzte ich mit dem Beiboot über nach Porto Rafti und begann mich in verschiedenen Ladengeschäften umzuhören, ob es irgendwo einen technischen Service gäbe, der einen Kühlschrank auf einem Schiff reparieren könnte. Kaum jemand war auch nur bruchstückhaft des Englischen mächtig, mein Mut sank. Zwei nette Mädels in einem Handwerkerladen tuschelten zuerst eine Weile, um mit dem Zusammenlegen ihrer gemeinsamen Englischkenntnisse mein Ansinnen zu erraten und reichten mir dann zwei Visitenkarten über die Ladentheke. Beide auf Griechisch. Aber ein Kärtchen zierte immerhin der in lateinischen Buchstaben gesetzte Slogan "Clima - Sky", unterlegt mit einer zartblau-weißen Wolkendecke. Das hätte nun zwar eher für einen meteorologischen Dienst gepasst, aber ich beschloss, mein Glück zu versuchen. Am nächsten Fernsprecher testete ich die erste der beiden angegebenen Handynummer (keine Festnetznummer - das machte mich bereits recht skeptisch). Meine erste mittlerweile gewohnheitsmäßige Frage: "Do you speak English?". Antwort kurz und knapp "No". Danke. Eigentlich musste ich bei der zweiten Handynummer vom gleichen Sprachdefizit ausgehen, vor allem da der erste Angerufene mit keiner Silbe empfohlen hatte, sich an diese Nummer zu wenden. Da ich nun mal bereits am Hörer hing, versuchte ich mein Glück trotzdem und siehe da, ein freundlicher des Englischen mächtiger Mensch erkannte sofort mein Problem und dessen Dringlichkeit. In einer Stunde solle ich mich am Treffpunkt einfinden, um einen Mechaniker ins Beiboot aufzunehmen und zur Unity überzusetzen. Nächste Überraschung: Pünktlich zum vereinbarten Zeitpunkt trabte ein freundlich grinsender junger Mann schwer beladen ans Pier. Wir verstauten verschiedene Werkzeugtaschen und Gasflaschen im Beiboot und nachdem der Techniker auf der Unity angekommen war, überprüfte er alles offensichtlich fachkundig und mit modernstem Equipement, um sich nach Auffinden des Defekts ruhig und konzentriert an die Arbeit zu machen. Nach dreieinhalb Stunden waren drei Lecks im Kühlsystem behoben und der Kühlschrank funktionierte wieder einwandfrei. Kosten inklusive Anfahrt und Material: 80 Euro. Samstags am Nachmittag. Höflich verabschiedete sich der Mechanikus dann mit vielen Dankeschöns und ließ mich mit einigen Zweifeln an meinen auf dem Mist früherer Erfahrungen erwachsenen Meinungen zu griechischen "Specialists" zurück.

Vor Porto Rafti gibt es eine lange schmale Landzunge, welche die vulkanische Vergangenheit des Ortes beeindruckend zeigt: Ein erstarrter Lavastrom von ca. einer halben Meile zieht sich vom Ort bis weit hinaus in die Bucht, wo er im Meer versinkt. Zur Einschätzung der Größe: Das Bild in der Mitte zeigt einen etwa hundert Meter langen Ausschnitt.

 

Inzwischen liegen wir im Hafen von Aliveri, nachdem wir uns gestern ein großes Stück die Meerenge entlanggekämpft haben. Segeln war nur in Teilstücken möglich, da der Wind durch die vielen Berge rechts und links immer wieder anders umgelenkt wurde und wechselte. Über den Euböa-Kanal zu den Sporaden zu kommen, heißt "Strecke machen" und die gefährliche Meerenge von Chalkis passieren: Im Euböa-Kanal herrscht ein Gezeitenstrom ähnlich wie auf der Nordsee, der die Flußrichtung des Wassers ca. alle sechs Stunden von Nord nach Süd wechseln lässt. Und das mit ziemlicher Strömungsgeschwindigkeit an den Engstellen: bis zu 8 Knoten wurden bereits gemessen. Beachtet man das nicht, kann es durchaus passieren, dass man mit "Vollgas voraus" in Wirklichkeit rückwärts fährt, was recht gefährlich werden kann...

Ausblick vom Yachthafen in Aliveri: wir befinden uns noch immer im "Ruhrgebiet"

 

Da der Wind heute mit 6-7 Beaufort über den Hafen pfeift (das allerdings bei strahlend blauem Himmel), haben wir spontan beschlossen, einen Bade- und Waschtag einzulegen. Ersteres, weil wir gleich neben dem Hafen einen hübschen, sauberen Strand haben, das Zweite, weil es direkt am Steg frei zugängliche Süßwasserhähne gibt. "Wir" umfasst in diesem Falle nicht nur uns, sondern auch Peter und Heide mit der Cats und als drittes Boot Solist Walter mit seiner Elena, der ebenfalls in Kalamata überwinterte und zufällig am letzten Abend noch in Porto Rafti einlief. Wir haben beschlossen, die anstrengende Passage bis zur Nordspitze Euböas gemeinsam zu meistern. Dann schippert wieder jeder seiner Wege, die Cats weiter nach Norden, Walter ebenfalls auf die Sporaden (von denen aus wir ja weiter zu den östlichen Ägäisinseln wollen) - bis wir uns vielleicht an einem anderen Punkt der Ägäis wieder treffen.

Die Unity am Pier in Aliveri

 

In der Rubrik "Das Letzte" heute zwei kurze literarische Fundstücke:

- Beginn des Vorworts einer (deutschen) Ausgabe von "Plutarch - Griechische Heldenleben" von 1933: "Das Altertum der Griechen und Römer, der beiden den Deutschen stammverwandten Völker des Mittelmeerbeckens,......"

- Beginn eines in Griechenland verlegten Griechenlandführers aus den 70ern: "Der Stern der europäischen Geschichte ging mit dem Auftreten der Griechen auf."

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