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Man glaubt es kaum - wir haben die Hafenpromenade von Nidri bisher nur mit einem Gewoge schreibunt bekleideter Menschenmassen gesehen, die bis tief in die Nacht entlang der festgemachten Boote schlenderten/liefen/flanierten/hüpften/sprangen/latschten/tappten, sofern sie nicht in einer der vielen Tavernas saßen/lümmelten/redeten/lachten/schrieen/sangen (oh, ja - und wie...). Mittlerweile sind die meisten Tavernas im Winterschlaf, die Bürgersteige werden allerdings nicht hochgeklappt, sondern vom Feinsten neu bepflastert und mit vielen hohen Palmen bepflanzt. Die EU schießt dazu laut Beschilderung 3,5 Millionen Euro zu. Das Einzige was hier jetzt noch schlendert, ist das bronzene Standbild des Tankerkönigs Aristoteles Onasis (ist das dann eher ein Schlenderbild?), der direkt vor Nidri in einem der schönsten Teile Griechenlands die beiden schönsten Inseln aufgekauft und zu seinem Privatfriedhof (!) erkoren hat. Dort steht dem Vernehmen nach eine Statue von ihm aus massivem Gold. Betreten der Inseln für Normalsterbliche strengstens verboten, selbst Anlegen am Ufer wird geahndet - eine Wachmannschaft ist rund um die Uhr damit beschäftigt, Inseln und Goldstatue zu bewachen. Ich will an dieser Stelle ohne Kommentar abbrechen, sonst könnt ich vielleicht ausfällig werden, aber das Klassenkämpferische überlass ich dann doch lieber der recht agilen Kommunistischen Partei Griechenlands.

 

 

Der Himmel ist bedeckt, heute Morgen hat es sogar kurz geregnet, morgen solls noch etwas mehr werden. Wir liegen in Lefkas am Stadtkai und haben zur Sicherheit gegen den Seitenwind aus Süd noch einen zweiten Anker in Windrichtung ausgebracht, damit die Seitenspring entlastet wird und das Boot bei stärkeren Winden nicht so nah an die Kaimauer zieht. Ansonsten auch hier: friedliche Stille. Es ist Samstag, da rumoren nicht mal die Einheimischen (gestern fiel es noch einem ein, mitten in die friedliche Abenddämmerung hinein mit dem Presslufthammer zu werken), ein paar vereinzelte Touristen schlendern von Zeit zu Zeit etwas verloren durch die Gegend und wirken, als ob sie irgendeinen Zug, das Stichwort des Regisseurs oder den Termin einer Veranstaltung verpasst hätten. Auch in der Marina nebenan herrscht weitgehend Winterpause, nur ein paar Unermüdliche (oder Unverbesserliche?, Unerschrockene?, Unverwüstliche?, Unentwegte?, Unbelehrbare?) hängen noch auf ihren Booten herum wie überlebte Sommerfliegen im Herbst. Ein einzelnes englisches Boot ankert sogar noch ganz verwegen mitten im Hafen:

Gestern haben wir uns, nachdem wir gut ausgeschlafen hatten, vom schläfrigen Nidri verabschiedet und fuhren noch schnell in der angrenzenden Vlycho-Bucht vorbei: von verspäteten Seglern hatten wir gehört, dass die Circe wieder im Lande ist und sich in der Nähe des Boatyards herumtreibt, der vor zwei Jahren durch das Erdbeben schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Ich habe der Circe ja bereits vor drei Jahren ein Portrait gewidmet. Das Letzte, was wir danach noch hörten, war, dass Skipper Wolfgang das Schiff zum Verkauf nach Norditalien verholte, wobei ihn die Herbststürme so durchschüttelten, dass ihm Hören und Sehen verging. Nun ist die Circe also wieder im Ionischen Meer. Und Wolfgang ist, wie wir berichtet bekamen, noch immer der Skipper. Solch riesige Schiffe sind eben nicht so leicht an einen neuen Besitzer zu bringen, die Circe lässt ihren Wolfi nicht aus. Also steht sie nun eben "hoch und trocken" über Winter an Land. Das Ende dieser Beziehungskiste der besonderen Art bleibt weiterhin offen....
Dann machten wir uns auf den (kurzen) Weg nach Norden, durch die Bucht vor dem Lefkas-Kanal, schlängelten uns durch den Schwarm von Laser-Jollen einer Segelschule und beobachteten die Hotel- und Villenanlagen am Ufer. Ein riesiges Hotel (zu dem offensichtlich die Segelschule gehört), ist schmucklos wie eine Kaserne in die Uferböschung geknallt, dafür lassen´s die Großkopferten mit ihren Feudalvillen dann zuweilen recht disney-bunt krachen - man kommt sich unwillkürlich vor, als hätte einen eine hämische Fee in ein Micky-Maus-Heftchen gebeamt (rechts).

Die Ansteuerung zum Lefkas-Kanal ist mittlerweile Routine, trotzdem bat ich Elisabeth, laufend das Echolot abzulesen - nach dem Erlebnis in Mesolongi bin ich etwas vorsichtig geworden - hier wäre so schnell kein hilfsbereiter Jungfischer zu erreichen um uns bei einem Navigationsfehler aus dem Schlick zu ziehen. Ansonsten war die Fahrt jedoch idyllisch, der Südwind hebt die Temperaturen noch einmal in angenehme Bereiche, außerdem strahlte die Sonne, was auch die Reiher und Pelikane (!), die in der Lagune neben dem Kanal herumstaksten offensichtlich genossen.

Das Anlegen im uns wohlvertrauten Stadthafen von Lefkas war schnell erledigt. Einzige Frage war, ob wir uns längsseits legen sollten, Platz wäre in Hülle und Fülle vorhanden. Aus Diskretionsgründen entschieden wir uns jedoch wieder für den üblichen Buganker: Straße und Boulevard liegen direkt am Kai und unsere Unity hat eben recht große Scheiben. Ein Plus für das helle Ruderhaus, ein Minus, wenn manche Menschen ohne jede Scheu vor dem Schiff stehen bleiben und uns ins Wohnzimmer glotzen. So schützt uns kaiseitig unsere hohe Bugterrasse, was auch einen gewissen Diebstahlschutz bedeutet: wenn das Boot längsseits liegt, ist ein Griff an Deck schnell getan (auf diese Weise gingen wir unserer Angel verlustig), ohne Einladung über Gangway und Heckgeländer zu klettern hat jedoch bis jetzt erst ein Mal jemand versucht - und den informierte Pia unverzüglich darüber, was auf ihrem Schiff erwünscht ist, und was eben nicht. Wer sich auf ein fremdes Schiff begibt, sollte sich nebenbei gesagt stets darüber im Klaren sein, dass er mit dem Schritt vom Pier ans Deck streng genommen nach Seerecht das Hoheitsgebiet des jeweiligen Landes verlässt. Dann schlenderten wir wieder einmal durch das Gewinkel der ausgedehnten Altstadt. Wie der Altstadt von Galaxidi ist auch Lefkas die französische Herkunft unschwer anzusehen. Auch die Altstadt des jüngst zerstörten New Orleans hatte dieses Flair. Wenn man zum Beispiel durch das Seebad La Baule in der Bretagne an der nördlichen Küste der Biskaya wandert, findet man viele ähnliche Winkel:

Im Innern der Altstadt ist dann alles so verwinkelt, dass wir uns noch immer darin verlaufen, was jedoch durchaus seinen Reiz hat. Wie bei vielen Altstädten, egal in welchem Land, muss jedoch gesagt werden, dass ein solches Ensemble auf den Flaneur durchaus pittoresk wirken kann, die Vorstellung in dieser Enge zu leben aber doch nicht allzu reizvoll ist. Also sitzen wir am Abend anstatt als trauriges Touristenrestchen eine der letzten offenen Tavernas zu bevölkern lieber auf dem Vordeck und genießen die Weite der Lagunenlandschaft vor dem Bug, auch hier mit eingewinterten Booten, die auf einem Inselstreifen mitten in der Lagune stehen:

Es ist schön, diesen doch so ereignis- und erlebnisreichen Sommer auf so gelassene, ruhige Weise ausklingen zu lassen. Während ich diese Logbuchseite verfasse, macht Elisabeth ein Mittagsschläfchen in der Vorschiffkoje und Pia übt auch schon mal für den anstehenden Winterschlaf:

 

Letzte Meldungen aus der Welt der Literatur und der Medien:

Nachdem ich zuvor endlich Umberto Ecos "Foulcaultsches Pendel" bewältigt hatte, habe ich mir in den letzten Tagen ein Werk vorgenommen, bei dem mir (neben vielen anderen) seinerzeit ein arroganter Gymnasiallehrer die Neugierde es zu lesen vollkommen ausgetrieben hatte. Nun also "Der abenteüerliche Simplicissimus Teütsch" - ein Entwicklungs-, Bildungs- und Schelmenroman aus der Barockzeit, Erstausgabe 1696. Bei Reklam als "Hardback" erschienen und sprachlich so vorsichtig modernisiert, dass ein flissig Lesen doch ein recht schwirig Unterfangen sey. Interessant das Sittengemälde aus dem Dreißigjährigen Krieg, lustig zu beobachten, wie Meister Grimmelshausen versucht, möglichst viel Erbaulich-Belehrendes in die Handlung zu schmuggeln, was dann teilweise 20 oder 30 Seiten lange "Hänger" mit grausam verschraubten Betrachtungen zu Gott, Engeln, Teufeln, Politik, Moral und dem Sinn des Lebens produziert. Mittendrin entschuldigt sich der Autor beim "großgünstig hochgeehrten Leser"  treuherzig, dass das leider sein müsse, bevor die Handlung weitergeführt werden könne, da das nun mal sein Anspruch an sein Werk sei: ".... ich darf nicht so geschwind zum Ende eilen, sondern muß etliche geringe Partikularitäten und Umstände mit einbringen". Da fällt mir nun das dreibändige Werk "Briefe zur Bildung des Geschmacks an einen jungen Herrn von Stande" ein. Erschienen in der Jugendzeit Goethens, konnte ich die dicken Schweinslederbändchen in einem New Yorker Antiquariat spottbillig erwerben. Der Autor dieses seinerzeitigen Standartwerks zur gehobenen Allgemeinbildung verbrät die ersten 20 Seiten seines Werks (3. Ausgabe) damit, sich gegen Angriffe der "Kunstrichter" zu verwahren. Sprich: für den Inhalt der ersten beiden Auflagen hat er von einigen spätbarocken Reich-Ranitzkis fürchterlich eins auf die Nase bekommen. Den Zeilen nach zu urteilen muss es auch fürchterlich weh getan haben. In diesem frisch erworbenen Schatz blätterte ich seinerzeit amüsiert, während ich in den weißledernen Sesseln eines New Yorker Edel-Figaros darauf wartete, dass meine Begleiterin in einem Separée von einem um sie herumschwänzelnden Bürschchen die Frisur auf den letzten Schrei toupiert bekam. Ich war ganz versunken in meine Lektüre, da TATSCHT mich wer von rechts am Arm an. Erschreckt fuhr ich auf und wurde vom übernächsten Fauteuil aus zuckersüß über meine Lektüre befragt. Kurzer Seitenblick: hautenge Lacklederhosen, Krokostiefeletten, Hemd bis zum Bauchnabel offen (auf der 5th Avenue schneite es) und schwere Goldkette vor der glattrasierten Brust. Politisch völlig unkorrekter Gedanke: Lass mich bloß in Ruh, du schwules Aas. Ausgesprochen in "Poiltical Correctness": Indeed - a quite amusing lekture, while waiting for my wife. Das Tatschehändchen zog sich umgehend von meinem Unterarm zurück. In der aktuellen ZEIT les ich jetzt im Politikteil, dass der Autor ganz befremdet ist über den Umstand, dass in Bayern die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft sang- und klanglos ohne Proteste von Kirche und Stammtisch legalisiert wird. Und das in einem Freistaat, in dem doch das Schimpfwort "Du schwule Sau" nicht nur erfunden, sondern geradezu zum täglichen Sprachgebrauch gehöre! Mal ehrlich: ich habe fast 25 Jahre in Bayern gewohnt und kein einziges Mal erlebt, dass jemand "schwule Sau" gesagt hätte, zu wem oder was auch immer. Zugegeben, das mag auch eine Sache der sozialen Kreise sein. Ein paar Seiten weiter wird in der gleichen ZEIT-Ausgabe dann im Aufmacher des Wissenschaftsteils darüber berichtet, dass die Geschlechtskrankheit Syphilis wieder stark im Kommen ist. Zu über 80% im Schwulenmiliö (die restlichen Prozent werden überwiegend "Bi"-Ambitionierten zugeschrieben) durch im Internet vermittelte Kontakte einander ansonsten wildfremder Menschen und durch "oral-anale" Sexualpraktiken. Wenn ich nun den Polit-Artikel und den Wissenschaftsartikel zusammen nehme, taucht eine vertrackte Frage auf: wenn ein Mensch mit homosexuellen Neigungen einem völlig fremden Menschen die Zunge ins Hinterteil steckt und damit einer längst besiegt geglaubten Seuche zu neuer Verbreitung verhilft  - könnte dann ein wackerer Freistaatler nicht doch aus der Kraft des Faktischen schließen, dass die Kriterien für die ihm ohnehin zugeschriebene verbale Bezeichnung erfüllt seien? Oder muss er seine persönliche Ablehnung solcherlei Tuns in umschweifig umschreibendere Floskeln kleiden, als sie ihm der "bayrische" Kraftausdruck knapp und aussagekräftig bietet? Political Correctness kann zuweilen eine äußerst komplexe Materie sein. So elegant wie die ZEIT hat aber wohl noch selten jemand durch die Nachbarschaft zweier Artikel politisch Unkorrektes impliziert. Ich bin mir allerdings sicher, die Redaktion dementiert auf Nachfrage jeden Zusammenhang.....

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.... ond ward sintemal fiels Gelächters als dann die Vorhäng gfalln seind....

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