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Logbuch, 23.
September 2006 |
48° 47´
035´´ N / 009° 05´ 441´´ E |
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Es war mir
nicht allzu lange vergönnt, im "Guten Ratskeller zu
Bremen" (s. Logbuch 71) respektive im angenehmen
Zuhause in Garding zu bleiben - und selbst da habe ich noch
nicht allzu viel mitbekommen von unserer neuen Heimat, da
ich die meiste Zeit am Arbeitstisch saß, um den neuen Band
"Stillleben" zu entwerfen - der avisierte
Erscheinungstermin drängte .... und nach knapp drei Wochen
war ich schon wieder unterwegs nach Süden. |
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Aber nicht, dass ich
mich nun hätte einsam fühlen müssen: bereits seit Griechenland
hegte ich den starken (und leider auch begründeten) Verdacht,
dass ich blinde Passagiere an Bord hatte. Im Stress der
Überführung hatte ich das Problem immer wieder beiseite
geschoben, nun wurde seine Erledigung äußerst dringlich:
ständig war etwas angenagt, und als ich alle Lebensmittel in hoch
gelegene Schränke verbrachte, zeigte wütendes Geknurpsel in der
Nacht den energischen Versuch an, dass sich etwas durch die
Schrankwände (!) hindurch Zugang verschaffen wollte. Mit Fallen
ging ich nun auf die Jagd und erlegte 4 (!!) Raubtiere in einer
Nacht. |
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In Stuttgart empfing mich
klebrig - feuchte Schwüle. Selbst in der Nacht (!) gingen die
Temperaturen nicht unter 25° (!!) und das im September (!!!) - aber
nein, eine Erwärmung des Klimas findet nach Meinung vieler
"Experten" nicht statt.... Die Meteorologen im
TV flöteten fröhlich was von anhaltendem "schönem" Wetter
und wie nett das doch sei. Der Wald geht wegen Wassermangel zugrunde,
die halbe Natur ist nur noch ein einziger "Angsttrieb", aber
Hauptsache, wir können im T-Shirt spazieren gehen und die Zierpalme
kann demnächst auch im Winter auf dem Balkon bleiben. Kopfschüttelnd
verzog ich mich in höhere Lagen: |
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Um genau zu sein: ins
Vorgärtchen des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Öttinger
am Schloss Solitude. Tagsüber ein paar Spaziergänger, Mountainbiker
und vorbeifahrende Autos, abends und nachts dagegen präsentierte sich
die Idylle in solch ausgestorbener Stille, dass ich fast etwas besorgt
über meine persönliche "Solitude" war. |

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Eigentlich bestand jedoch
kein Grund zur Sorge: wo der Landesvater so nah weilt, ist die
Schutzmacht nicht fern: gleich am ersten Abend fand eine Belagerung des Wohnmobils statt mit Ausweiskontrolle und freundlichem
Smalltalk. "Woher, wohin?". Ich vermochte Auskünfte in
befriedigender Solidität zu geben und zählte ab da augenscheinlich
vorübergehend zum lebenden Inventar des Vorgärtchens - keine weiteren
Kontrollen, obwohl ich immer wieder für ein paar Tage auftauchte und
auffällig unauffällig ständig irgendwo in meiner Umgebung
grün-weiße Automobile patrollierten. |
Ich beschäftigte mich
derweilen mit den Gesetzen angewandter bildnerischer Komposition.
Erstaunt stellte ich dabei fest, wie sehr sich Grundlagen der
harmonischen Proportionierung nach 30 Jahren bildnerischen Schaffens in
meinem "Blick" festgesetzt haben. Auf der Suche nach passenden
Bildern für die Darstellung des "Goldenen Schnitts" ergab
sich, dass ich, ohne besonders darauf zu achten, jedes Motiv im neuen
Band "SillLeben" so gestaltet hatte, als hätte ich zuvor mit
dem Maßband die Komposition millimetergenau "abgezirkelt". |

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Als Beispiel hier ein ganz
profanes "Stillleben", die Küchenzeile des Wohnmobils.
Schnell fotografiert und aus dem Gesamtbild nach Augenmaß einen
passenden Ausschnitt gewählt ohne dezidierte Berücksichtigung von
Gegenständen, Hell-/Dunkel-Werten und farblicher Gewichtung. Die
nachträglich eingezogenen Linien nach dem Prinzip des Goldenen Schnitts
zeigen, dass sich das Motiv trotzdem exakt am Schnitt der Linien
ausbalanciert: rechts die leichten, links die schwereren
Bildkomponenten. Auch der Schwerpunkt "oben/unten" gewichtet
sich durch die Details im unteren Drittel harmonisch.
Bei der Durchschau der Druckfiles
erfreute wieder ein Mal das Detail: die "wahre Schönheit"
eines Aquarells wird oft erst bei nächster Betrachtung deutlich. Hier
ein paar wenige Quadratzentimeter große Makro - Detailausschnitte von
Motiven, die in "StillLeben" in der "Vollversion"
auftauchen werden:
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Was noch? Mails zu diesen Seiten
erreichten mich auch wieder einige. Die "lieben und netten"
bedürfen keiner weiteren Erwähnung, ich nahm sie erfreut zur Kenntnis
und - gut? Nein, ein sehnsuchtsvoll formuliertes Mail bereitete mir doch
etwas Magengrimmen. Der Verfasser äußerte, animiert durch unsere
Segel- und Reiseberichte die Absicht, "einfach" alles
hinzuwerfen und "einfach" loszuziehen. Bitte nicht! Was dann
passiert, konnten wir in den letzten Jahren fast in jedem Hafen
besichtigen: das Geld reicht selbstverständlich nie bei solchen stets
zu knapp kalkulierten "Ausbrüchen" und
"irgendwelche" Jobs zum Auffüllen der Bordkasse sind nicht
allzu dicht gesät. Folge: Service- und Reparaturarbeiten am Boot
können nicht mehr finanziert werden, die Gesundheit geht vor die Hunde,
und neben Langfahrern dieses Schlags zu liegen, kann recht kostspielig
werden: der Not gehorchend klauen einige wie die sprichwörtlichen
Raben. Nein - "einfach so" gehts wohl eher nicht. Elisabeth
und ich hatten ein gewisses Finanzpolster, lebten trotzdem relativ
bescheiden und, vielleicht das Wichtigste, fanden auch den richtigen
Zeitpunkt, um wieder aus dem "Ausstieg auf Zeit" auszusteigen,
sprich, wieder eine Existenz an Land fortzuführen, was sich
erfreulicher weise recht problemlos ergab, wofür wir wirklich dankbar
sind, da wir aus vielen Erzählungen wissen, dass das bei allem Wollen
nicht immer gelingt. Vor allzu blauäugigen AussteigerTräumen können
wir daher nur ausdrücklich warnen. Unsere Reise wurde im Vorfeld
relativ sorgfältig vorbereitet und während der drei Reisejahre
arbeiteten wir, auch wenn der Genuss der vielen Erlebnisse nicht zu kurz
kam, doch wiederum bereits an unserer Rückkehr: Elisabeth mit der
Komposition eines neuen Kindermusicals und ich mit der Entwicklung neuer
Bild- und Text- Konzepte - manches konnte ich sofort nach der
"Rückkehr" bereits in die Erarbeitung der Buchserie
"Abenteuer Aquarell" einbringen. Also noch einmal die
dringende Bitte: Unsere Reiseberichte haben wir für Freunde, Bekannte,
Gleichgesinnte und alle die es interessiert ins Netz gestellt - eine
Verführung zu unüberlegten Abenteuern sollen sie aber ganz sicher
nicht sein.
Dann gab es da noch das Mail eines
Menschen, der mit wüsten Beschimpfungen über mich herfiel, ohne für
seine Tiraden auch nur eine einzige sachliche Begründung anzuführen.
Des Rätsels Lösung: er hatte meinen Erfahrungsbericht
mit "Skipper" J. und anderen "Mietskippern"
gelesen. Was ich schrieb, passte ihm nun gar nicht - da er wohl selbst
hin und wieder Laien übers Meer kariolt. Die Art und Weise seiner
Reaktion bestätigte meine auf dem Mist einiger schlechter Erfahrungen
gewachsene Vermutung noch einmal eindrücklich: viele dieser
selbsternannten Superskipper haben offensichtlich einen ganz gewaltigen
"Hau in der Birne". Anders lässt sich das wohl leider nicht
qualifizieren. Die Existenz positiver Ausnahmen soll dabei gar nicht
angezweifelt werden. Aufgrund meines Anschauungsunterrichts handelt es
sich jedoch augenscheinlich wirklich um Ausnahmen aus einer
"Regel" von Anmaßung, Überheblichkeit und
Selbstüberschätzung.
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Auch angesichts solcher
Eindrücke bin ich wirklich froh, dass ich meine Abenteuer zur See
fast ausschließlich zusammen mit Elisabeth erleben konnte (und
daran wird sich auch in Zukunft wenig ändern). Drei Jahre Sturm
und Flaute, dabei in verschiedensten Situationen unbedingt auf
einander angewiesen sein und das in relativ beschränkten
räumlichen Verhältnissen sowohl am Schiff als auch im Wohnmobil,
hat uns gezeigt, dass wir "miteinander können". Keine
Selbstverständlichkeit, wie wir aus einigen Erlebnisse und
Erzählungen wissen. Wir nehmen das als gutes Omen für unsere
gemeinsame Zukunft, freuen uns auf weitere Törns mit der Unity
und vorerst ganz einfach an unserem "neuen Leben" - auf
der Halbinsel Eiderstedt ja "irgendwie" noch immer
"mitten auf dem Meer". |
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