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Aigina, 17. Juni 2004

Das Wetter (respektive Starkwind im Süden) beschert uns noch einen Aufenthalt im schönen Aigina. Zugegebenermaßen einer unserer Lieblingshäfen. Trotz Hektik und Lärm ist Aigina auch ein idyllischer reizvoller Ort. Die vielen Yachten, die durch die zentrale Lage und die Nähe zu Athen täglich ein- und auslaufen sorgen stets für Abwechslung, ein wenig "Hafentheater" und neue Bekanntschaften. Als wir ankamen, war nur noch ein Platz an einem etwas schräg hängenden Schwimmsteg im hinteren Teil des Hafens frei. Ein großes Schild weist darauf hin, dass hier das Anlegen verboten sei. Interessiert aber niemanden wirklich. Nicht einmal die Port Authority, deren einzige Intervention darin bestand, die Hafentaxe zu erheben. Maroder Steg hin oder her. Im Laufe des Abends kamen dann noch einige Yachten, die auf der Suche nach einer Anlegemöglichkeit etwas ratlos durch das Hafenbecken kreisten. Trotz unseres etwas angegriffenen Stegs winkten wir sie eben heran, da sich sonst niemand regte. Zuletzt hatten wir wie eine Glucke ihre Kücken fünf Yachten vor und neben uns festgemacht. Zwischendurch halfen wir noch einer jungen deutschen Chartercrew, die mitten im Hafenbecken schwoite, weil sie sich eine schwere Kette eingefangen hatte. Zwar hatten die Jungs ganz richtig mit einem Seil ihren Anker wieder zu befreien versucht, in der Aufregung aber ein heilloses Kuddelmuddel produziert, das ich dann mit Hilfe eines einheimischen Wassertaxi-Kapitäns geduldig wieder auseinander dividierte. Dass am Abend unser "Weinkeller" in der Bilge wieder um ein paar excellente Tropfen reicher war, entsprach zwar nicht unserer Absicht, ist aber als Nebeneffekt nicht unangenehm. Da der Wind drehen soll, legten wir uns am nächsten Morgen noch schnell um und fischten bei dieser Gelegenheit einen großen herrenlosen "M-Anker" vom Grund. Wahrscheinlich war bei einer Yacht der Halteschäkel wegen Materialermüdung gebrochen und der Anker verschwand auf (vorläufiges) Nimmerwiedersehen am Grund des Hafenbeckens - bis sich zufällig unser Anker darin verfing. Jetzt haben wir fast jedes gängige Ankermodell an Bord: 1x 22kg (Hauptanker) und 1x 15kg (Heckanker) "CQR"-Pflugscharanker, 1x "Danforth" (Zweitanker bei Seitenwind), einen kleinen "Klappdragen" (für Landleinen und für´s Dingi) und nun eben noch einen 15kg- "M" (könnte bei sandigen Gründen hilfreich sein). Vielleicht "fischen" wir demnächst noch einen Bügelanker, dann wären wir "komplett".....

Bild: wenn es rechts und links so aussieht, ist ein Schwarm von Charterbooten in den Hafen eingefallen und verleiht ihm das Ambiente einer uniformen schwäbischen Reihenhaussiedlung in Plastikbauweise...

 

Am 15. September trafen wir in Epidauros noch mit Walter aus Wien zusammen. Walter ist inzwischen Produktionsleiter beim ORF, war jedoch in früheren Jahren eine Zeit lang professionell im Segelsport aktiv. Durch unser Logbuch wurde er auf uns aufmerksam und besuchte uns kurz, da er ohnehin auf dem Pelepones zu tun hatte. Sieht so aus, als wäre das der Beginn einer herzlichen Freundschaft. Am Nachmittag saßen wir gemütlich auf unserer Heckterrasse, plauderten und Walter genoss die erhöhte Position, um mit dem weisen Kopfschütteln des erfahrenen Seebären die Ankermanöver der einlaufenden Charterboote zu beobachten. Auch die Tatsache, dass wir verschiedentlich vom Boot turnten, um beim Anlegen behilflich zu sein, veranlasste Walter nur zu dem in schönstem "Hoch-Österreichisch" abgegebenen Kommentar, dass dies weit über seine Auffassung von Seemannschaft hinausgehe. Nun - das mag wirklich Interpretationssache sein. Wir haben trotzdem unsere Gründe für unsere Auffassung. Zum Ersten sehen wir uns noch immer als Teil einer "Familie", die die Ambition für eine wunderbare Sache, das Segeln eben, verbindet. Zweitens macht es uns ganz einfach Spaß, zu helfen. Drittens haben wir auf diese Weise bereits viele nette und interessante Bekanntschaften gemacht. Viertens sind wir selbst sehr froh, wenn beim Anlegen keiner von uns mit einem waghalsigen Sprung an Land muss, bevor das Schiff richtig gesichert ist. Und last not least: Auch wenn es mancher Crew cooler erscheinen mag, lässig mit dem Sundowner in der Hand im Cockpit zu lümmeln, während sich nebenan eine andere Crew abmüht, finden wir es wesentlich stilvoller, freundlich und hilfsbereit zu sein. Aber "Stil", wie immer man diesen für sich persönlich interpretieren und gestalten mag, hat man eben bekanntlich - oder man hat ihn nicht. Eine holländische Crew lieferte dafür in Epidauros wieder einmal ein leider sattsam bekanntes Beispiel: Wir mussten, als wir anlegten, gegen die untergehende Sonne fahren, wodurch wir fast nicht sehen konnten, wo sich die Pierkante und die anderen Boote befanden. Für die holländische Crew weder ein Grund, sich vom Cockpit zu erheben, noch ihr seitlich befestigtes Schlauchboot zu entfernen, sodass wir gezwungen waren, einen guten Meter von ihnen entfernt festzumachen - verlorener Stegplatz im ohnehin nicht großen Hafen. Dass diese Crew dann spätabends offensichtlich angeheitert zum Boot zurückkam und mit lautstarken Gesprächen das Pier bis in die frühen Morgenstunden beschallte, passte "nahtlos" ins Bild. Wohlgemerkt: Es handelte sich nicht um jugendliche Rowdies, keine Männercrew in Vatertagslaune, sondern zwei ansonsten recht gepflegt auftretende Ehepaare in den Fünfzigern. Den Hit während unseres Aufenthalts in Epidauros lieferte jedoch wieder einmal eine deutsche Männercrew, die mit voll gesetztem Hauptsegel in den Hafen einlief. Auch als sich die Crew anschickte, das Boot anzulegen, blieb das Segel oben, wodurch das Boot trotz nur schwacher Prise eine seitliche Abtrifft wie bei Starkwind hatte und dadurch in eine Reihe von Fischerbooten "schlidderte". Auch beim zweiten Versuch blieb das Segel oben. Nachdem wir das Boot mit Müh und Not eingefangen hatten, fragte ich einen der Mannen nach dem geheimnisvollen Grund dieses manövers, für das es aus Gründen der Windrichtung und -Stärke ohnehin keinen nachvollziehbaren Anlass gab. Es folgte ein verdutzter Blick des Befragten hinauf zum Segel und dann die Auskunft, dass man das wohl unterwegs gesetzt habe, "damit das Schiff nicht so schwankt" (es herrschten ca. 10 cm "Seegang") und dann beim Einlaufen schlicht "vergessen" habe, das Segel wieder einzuholen .... Heiliger Poseidon, steh uns bei ....

Bild: Ein Fischerboot passiert bei Sonnenaufgang die Leitfeuer an der Hafeneinfahrt von Epidauros

 

Vor der Rückfahrt Richtung Süden, wieder durch den Kanal von Korinth, feierten wir einige Starkwindtage im Hafen von Kiato ab. Mit von der Partie war Jürgen mit seiner kleinen "Dehlia25", der sein Boot auf die Insel Kos überführt. Heftiger Schwell im Hafen machte ihm schwer zu schaffen, da das agile und leichte Bötchen heftig im einfallenden Schwell umher hüpfte. Die Unity agierte dagegen eher behäbig, was nicht zuletzt auch einer von Elisabeths Ambitionen zu danken ist: Elisabeth "nestelt" passioniert. Wo ein Knoten zu knüpfen und eine Leine zu legen ist, agiert sie mit Hingabe. Also inspiziert sie das Boot nicht nur beim Anlegen sondern auch bei jeder Änderung von Windrichtung und Stärke von Bug zu Heck und von Steuer- zu Backbord und zurück. Und sollte da irgend eine unerwünschte Bewegung zu bemerken sein, knüpft, knotet und belegt Elisabeth mit Leinen und Federn so lange, bis sich alles wieder in gefahrlos sachten Bahnen bewegt. Also bewegte sich auch hier die Unity sanft abgefedert in einem sorgsam konstruierten System aus einander abfedernden "Springs", die sich abwechselnd strafften und einander ergänzten. Ich habe, als ich dem Spiel eine Weile zusah, bis zu einhundert (!) Lastwechsel pro Minute gezählt. Trotzdem schliefen wir bestens bei einschläfernd sanftem Geschaukel.

Auch wenn wir stets irgendetwas an Bord zu arbeiten haben, entschloss ich mich am zweiten Tag, die Steggemeinschaft mit einem gemeinsamen Essen für weiteres Geschaukel zu stärken. Kein einfaches Unterfangen: Jürgen hat die meiste Zeit seines bisherigen Lebens als Restaurantbetreiber und Koch gearbeitet. Ich entschloss mich zum Äußersten: Handgeschabte Spätzle. Anschauung in der Ausübung dieser Kunst, erhilt ich durch meine Kindheit in Schwaben. Gab es doch eine Freundin der Familie, die als Virtuosin am Schabebrett allgemeine Achtung genoss und zu jeder besseren Familienfeier gebeten wurde, um das Festessen mit ihrem Können zu krönen. Ich war oft neugierig dabei gestanden, wenn Carola den Teig rührte und prüfte, nach einiger Zeit wieder prüfte, um, wenn der Teig die richtige Konsistenz aufwies, zu "Brettle" und einem geeigneten Messer zu greifen. Das Brettle hatte spiegelglatt und nicht zu groß zu sein, das Messer mit gerader Klinge und nicht zu scharf, aber natürlich so scharf, dass die einzelnen feinen Streifen mühelos vom dünn ausgestrichenen Teig zu trennen waren. Dann folgte das schweißtreibende Zeremoniell vom steten Eintauchen des Schabemessers im Wasser, dem Abschöpfen der geschabten Teilmenge und deren Eintauchen in kaltes Wasser, dem erneuten Ausbringen der richtigen Menge von Teig auf dem Brett, dem Ausstreichen zu einer dünnen, gleichmäßigen Schicht, dem Schaben feinster Streifen in das kochende Wasser. Als Kind erschien mir der Vorgang wie eine magische Kunst, erst recht, wenn die Spätzle dann, kurz in Butter geschmelzt, auf den Teller kamen. Nicht zu vergleichen mit den lieblosen Produkten aus einer "Spätzlespress", schon gar nicht mit industriell gefertigter Massenware. Ein handgeschabtes Spätzle ist ein kulinarisches Abenteuer für die Zunge. In der Konsistenz changierend zwischen dem zarten Schmelz dünnerer Teile und dem angenehmen "Biss" der dickeren und übergangslos allen dazwischen liegenden Konsistenzen. Wo andere Teigwaren in maschinell gefertigter Glätte durch den Mund flitschen, will das Spätzle mit aller Sensorik, der eine Zunge fähig ist, genossen werden. Vor diesen unvergleichlichen Genuß haben die Götter jedoch Erfahrung, Fleiß und handwerkliches Können gesetzt. Alles drei im "Ländle" heilig gehaltene Kardinaltugenden. Ob dann bei ihrer Anwendung ein hochwertiger "Daimler" oder ein originäres Spätzle herauskommt, ist eigentlich nur noch eine Frage der Zutaten. Lange habe ich mich nicht an die heilige Kulthandlung des Spätzleschabens getraut. Erst die schiere Not zwang mich zur Verzweiflungstat: Im letzten Winter stellte der in Kalamata vorhandene Lidl-Markt den Verkauf seiner "Maschinenspätzle" ein. Daraufhin war mein Leibgericht "Saure Linsen, Spätzle und Saitenwürstl" nicht mehr herzustellen. Ein herber Verlust. Nach mäßig erfolgreichen Experimenten mit verschiedenen Nudelarten wurde das Leibgericht seufzend von der Speisekarte der Unity gestrichen. Bis ich mich vor einigen Wochen todesmutig mit Brett und Messer bewaffnete. Mit der Arbeit am Spätzle kamen Stück für Stück die Details von Carolas Virtuosität aus der Tiefe kindlicher Erinnerungen zurück. Und so konnte ich beim zweiten Versuch am Steg von Kiato mit Blick auf den Golf von Korinth mitten zwischen Sturm und Welle im Schutz der Hafenmauer auf blauweiß kariertem Tischtuch über dem Klapptisch schwäbisches Kulturgut präsentieren, das anscheinend auch die professionelle Zunge von Jürgen zufrieden stellte. Wer als Yachtie zufällig mitliest und plant, den Winter an Steg A in der Marina Kalamata zu verbringen, sei vorgewarnt: Es wird Spätzle geben! Handgeschabt und in allen Variationen.

Und nun noch in der Rubrik "Das Letzte" das Foto eines Fundstücks aus der Petalidibucht: Schädel und Gehörn eines längst dahin gegangenen Widders. Da Elisabeth im Sternzeichen Widder geboren ist, schmückt das Teil inzwischen als Reminiszenz an die Dame des Hauses hoch oben das Gestänge unseres Windrads am Besanmast.