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Samstag, 20. September 2003 * Pylos - Südlicher Pelepones * Seit 4 Tagen liegen wir nun hier - einfach weil das Hafenstädtchen so hübsch ist und wir keine Eile mehr haben müssen, um unser Winterquartier Kalamata rechtzeitig zu erreichen - das liegt jetzt quasi "um die Ecke". Um hierher zu kommen, musste noch einmal ein "Loch" überwunden werden, das heißt: eine Strecke von 55 Seemeilen ohne annehmbaren Hafen oder eine nennenswert geschützte Bucht. 55 Seemeilen sind für uns eine riesige Strecke, wenn sie an einem Tag absolviert werden soll. Die Nauticat ist zwar ein komfortables und sicheres, aber kein schnelles Schiff. Gegenüber heute üblichen Fahrtenseglern sind wir 20-30%, bei schnellen Schiffen und Katameranen sogar bis zu 40% langsamer. Da muss alles gut geplant sein: Woher und mit welcher Stärke kommt der Wind, gibt es Stellen, wo er abgelenkt werden könnte, wie hoch und aus welcher Richtung sind Wellen zu erwarten, wo kann es Strömungen geben und aus welcher Richtung bei welchen Winden? Der tägliche Wetterbericht aus bis zu 6 Quellen (Navtex, Weatherman (Dt. Wetterdienst), lokale Durchsagen im Seefunk und im Internet die Seiten von "Wetter Online" und "Poseidon", den Seiten des Griechischen Ozeanographischen Instituts) und verschiedene Revierführer werden studiert, bis zuletzt eine Strategie feststeht und ein möglichst guter Zeitpunkt zum Auslaufen gefunden ist - und dann kann "draußen" doch wieder alles ganz anders kommen. Also sind wir vor 4 Tagen in Katakolon früh morgens um 5 Uhr bei stockfinsterer Nacht ausgelaufen. Bei Dunkelheit aus einem bekannten Hafen auszulaufen ist kein großes Problem, sich bei Dunkelheit einer fremden Küste zu nähern und in einen unbekannten Hafen einzulaufen, kann einen Schiff und schlimmstenfalls das Leben kosten. Es gibt genügend warnende Beispiele - Satellitennavigation hin oder her. Also lieber früh raus, um mit einer Sicherheitsspanne von ca. 3 Stunden Tageslicht relativ gelassen reisen zu können. Der Wind kam aus der vorhergesagten Richtung von Ost, allerdings mal wieder bis zu 3 Bft. stärker, als prognostiziert. Wir fuhren mit Besan und Genua und konnten alle Reffgrade abwechselnd ausprobieren, während uns eine grade noch akzeptable Welle permanent gegen die Backbordseite klatschte. Trotzdem kamen wir flott voran. Gegen Mittag wurde alles so lieblich, dass wir sogar gemütlich auf der Heckterrasse ein Tomatensüppchen mit üppiger Einlage genießen konnten und das letzte Viertel der Reise war pures GenußSegeln: Wind 3-5 von SW bis wir in die geschichtsträchtige und wunderschöne Bucht von Pylos einliefen. Ein 12-Stunden-Segeltag endete mit wunderschönem Sonnenuntergang und dem üblichen "Sundowner" - ein 0,3-Pils. Begleitet wurden wir von Iris und Urs, einem schweizer Ehepaar auf ihrer Bavaria 40 Transocean "Samoa". Wir waren die ganze Fahrt in Funk- und meist auch Sichtkontakt miteinander, was irgendwie beruhigend und nett war. Die beiden waren 2 Stunden nach uns aufgebrochen und wir kamen ziemlich genau gleichzeitig an - wenn Urs der Ehrgeiz gepackt hätte, hätte er uns sicher auf dem letzten Viertel der Strecke auch noch überholen können.

Mit Iris und Urs haben wir uns bereits in Zakynthos angefreundet, wohin wir von der Insel Kefallonia aus gesegelt waren und wir haben bereits die Strecke Zakynthos - Katakolon zusammen gemacht. Auch sie kein kleiner Schlag: 35 Seemeilen. Zusätzlich haben wir auf dieser Fahrt die höchsten Wellen bisher erlebt. Wir segelten etwa 20 Grad vor einem Wind von 6-7 Bft. mit entsprechender Welle von schräg hinten (Seglerdeutsch: 20 Grad backbord achterlich). Auf dem letzten Drittel der Strecke baute sich die Welle zu einer Höhe von mindestens 2,50 Metern auf (unser hoch gezogenes Heck ist 2,20 hoch und die Kämme der Wellen ragten noch ca. einen halben Meter darüber). Zusätzlich war die Frequenz der Wellen kürzer wie unser Boot, sodass teilweise, während der Bug noch in der einen Welle steckte, das Heck schon wieder von der nächsten Welle hoch angehoben wurde. Da dies, wie erwähnt auch noch schräg verlief, wurde das Boot immer wieder aus dem Kurs geschleudert und unsere Sorge war, dass wir "querschlagen" könnten, was bei dieser Wellenhöhe äußerst gefährlich werden kann. Dass das Boot ständig um alle Achsen (links/rechts, vorne/hinten, auf und ab) in extreme Schräglagen schlingerte, die ein normales Stehen nicht mehr erlauben und Bewegungen in und auf dem Schiff nur möglich waren, wenn man sich ständig mit mindestens einer Hand irgendwo festhält, muss den Seglern die diesen Bericht lesen, nicht erst erzählt werden. Aber alles ging gut, der Autopilot tat zuverlässig seinen Dienst und da wir die ganze Zeit die Genua gesetzt halten konnte, half auch diese mit, das Boot immer wieder in die gewünschte Richtung zu ziehen, was einen nicht unerheblichen Stabilisierungseffekt hatte. Also landeten wir etwas erschöpft und "ziemlich beeindruckt" in Katakolon, kurz hinter uns kamen Iris und Urs ebenfalls wohlbehalten, aber auch etwas angegriffen zum Anlegeplatz herein. "Beeindruckt" ist wohl die richtige Bezeichnung für die Gemütslage eines solchen Törns. Angst darf es nicht geben - sie lähmt oder führt zu hektischen und unbesonnenen Reaktionen. Man ist aufs Äußerste konzentriert, beobachtet permanent Welle, Wetter und die Systeme an Bord (Motor, Segel & Rigg, Navigation), während für alle weiteren Entwicklungen möglichst kühl kalkuliert wird "was wäre wenn..." und im Geist "To do - Listen" für verschiedene Szenarien durchgespielt werden. Hat man eine solche Reise zu einem guten Ende gebracht, liegt der Lohn darin, dass man sich und das Boot wieder ein großes Stück besser einschätzen kann - ein großer Bonus für alle weiteren Törns. Nach dieser Fahrt erholten wir uns einige Tage und die Nachbarschaft mit der "Samoa"-Crew war sehr nett. Täglich tauschten wir Wetterinfos aus und berieten die Lage, bis wir beschlossen, auch die "MammutTour" nach Pylos gemeinsam zu machen. Inzwischen ist die Samoa bereits alleine weitergefahren, da Iris und Urs noch nicht sicher sind, ob sie ebenfalls über den Winter in Kalamata ihr Boot lassen (sie gehen bis zum Frühjahr zurück in die Schweiz) oder noch nach Preveza im Norden fahren müssen, was eine gehörige Strecke bedeuten würde. Wir werden sehen, ob wir sie in 2 Tagen bei unserer Ankunft in Kalamata wieder treffen werden, was uns freuen würde.

Während ich diesen Logbucheintrag schreibe, hat sich der Steg, an dem wir gestern Abend ganz alleine lagen, mit 5 weiteren deutschen Booten gefüllt, die nach und nach einliefen, sodass wir nun zu sechst sind. Es ist in dieser Gegend sehr schön, dass es keine Charter-Geschwader mehr gibt. Wer um diese Jahreszeit in dieser Gegend noch unterwegs ist, fährt zumeist auf "eigenem Kiel" und das oft bereits viele Jahre oder gar Jahrzehnte. Man hilft einander, tauscht Erfahrungen aus und manchmal gibt es sogar einen abendlichen Plausch "über Gott und die Welt". Ansonsten herrscht eine ruhige, diskrete Atmosphäre am Steg. Das ist sehr angenehm nach dem jahrmarktsähnlichen Rummel und Gedrängel in der nördlichen Ionischen See.

Nachtrag Januar 2006: Bei der Neustrukturierung dieser Logbuchseiten ist mir aufgefallen, dass eine Lücke zwischen Kefallinia und Pylos besteht, ich ergo sowohl dem Aufenthalt auf/in Zakynthos wie auch dem Aufenthalt in Katakolon keine Silbe gewidmet habe. Das muss ein Akt unbewusster Verdrängung aufgrund schlechter Erfahrungen gewesen sein - was wir zu Zakythos zu bemerken haben, steht in der Hafenliste, ebenso unsere Erlebnisse in Katakolon.