zur Logbuch-Übersicht

 

Die Unity in "ihrer" Ecke, aus der wir sie aber inzwischen nach links auf "A27" verholt haben, da bei Schwell die Situation etwas beengt war. Die beiden anderen Boote gehören Michael aus Deutschland und Erika aus der Schweiz. Wir passen ein wenig auf die Boote auf, lüften hin und wieder, wenn das Wetter schön ist. Und wenn es Schlechtwetter mit Schwell gibt, kontrollieren wir, ob alle Leinen fest und die Springs gut austariert sind. "Draußen" vor der Marina wartet ein Containerschiff darauf, dass es in den weitläufigen Handelshafen neben der Marina einlaufen kann. Manchmal kommen die großen Schiffe auch nur in den Golf, um in dessen Schutz einen Sturm "abzuwettern".

 

Kalamata, 14. Februar 2005

 

Ein saftiger Südweststurm heult in den Wanten und treibt wieder einmal hohe Wellen in den Messinischen Golf. Inklusive der Brecher, die hinter unserem Boot über die Hafenmauer stürzen. Aber die Unity tanzt locker an ihrem neuen Platz (s.o.), kaiwärts gehalten durch zwei gut abgefederte Landleinen und zwei Springs, am Bug ist das Boot durch eine doppelte Mooring gesichert. Also kann ich beruhigt an meinen Schreibtisch im Wohnmobil sitzen und ein paar tiefschürfende Gedanken erwägen:

Dass "das Dichten und Trachten der Menschen böse" ist, steht schon in der Bibel und dass mein "Dichten" hier im Logbuch zuweilen ziemlich nieder-trächtig ist, haben mir zwei Leser meiner Einträge vor wenigen Tagen in aller kameradschaftlichen Freundlichkeit, die zum guten Stil seemannschaftlichen Umgangs gehört, per E-Mail mitgeteilt. Der Eine fand meine Bemerkungen über Motorboote nicht nett angesichts der Tatsache, dass er die Mosel mit einem Motorschiffchen zu bereisen beabsichtigt. Recht hat er - unter den vielen Brücken ist ein Mast nun wirklich hinderlich, aber gegen eine beschauliche Kaffeefahrt auf idyllischen Binnengewässern war der Text ja auch gar nicht gerichtet. Es ging in diesem Text vor allem um viel Geld, viel Macht und ein bildhaftes Beispiel für deren Missbrauch.

Der zweite Mitleser ermahnte mich, doch bitte die armen Griechen mit meiner Kritik zu verschonen. Den beanstandeten Absatz hab ich auch wirklich wieder gelöscht, aber nicht wegen der armen Griechen, sondern weil ich mir angesichts fortlaufender Pleiten, Pech und Pannen in diesem Land mittlerweile etwas dumm vorkomme, wenn ich das ständig moniere - es ändert sich dadurch ja doch nichts. Außerdem muss ich erstens vermerken, dass beileibe nicht alle Griechen arm sind (man denke nur an den "armen" Onassis), sondern nur die soziale Schere klafterweit auseinander gespreizt ist zwischen denen, die Zugang zu mehr oder minder "mafiösen" Netzwerken haben und dem unbedeutenden Rest der Bevölkerung und dass ich zweitens angesichts einer (typisch?) deutschen Marotte nicht weiß, ob ich weinen oder lauthals lachen soll : Es leben ziemlich viele deutsche Landsleute hier am südlichen Pelepones und sie verhalten sich, als ob alle Griechen unter Naturschutz gestellt werden müssten und Griechenland insgesamt der legitime Nachfolger des Gartens Eden wäre.

Letzthin am internationalen Zeitschriftenstand: Wir greifen zur "ZEIT", eine Dame der "68er"-Generation schnappt sich die "Süddeutsche". Ich frotzle, ob sie nicht auch noch eine "BILD" mitnehmen möchte, was sie natürlich energisch von sich weist. Dann ergibt sich im kurzen Geplauder vor der Kasse, dass Elisabeth und ich (ganz zu schweigen von Pia) nicht satisfaktionsfähig sind, weil wir ja hier kein Haus sondern nur eine popelige Yacht in der Marina besitzen, damit nicht zur Kaste der "Residents" gehören und dass der Umstand, dass wir im Frühjahr wieder im wahrsten Sinn "das Weite suchen" höchst irritierend sei, wo Kalamata doch sooo schön ist. Das alles sehr standesbewusst, sehr herablassend, sehr im Bewusstsein wahren Insidertums geäußert. Himmel! Es gibt also auch auf dem Pelepones eine "Toskana-Fraktion". Auch diese ersäuft sich täglich in Olivenöl und Rotwein und glaubt wirklich dem Werbefake des griechischen Fremdenverkehrsamts, dass hier "das Land der Götter" zu suchen sei. Dass das Land der Götter fortgesetzt die EU (und damit eben auch zu einem ordentlichen Teil mein Heimatland) um Milliardensummen betrogen hat, die Korruption einer der bedeutendsten Wirtschaftszweige darstellt, die Qualität von Handwerk und Dienstleistung zumeist unterirdisch ist, "Kultur" mehrheitlich durch permanentes Sirtaki-Gedudel ausgeübt wird, viele Griechen Manieren haben, die man keinem sprichwörtlichen Bauern andichten mag und das Land, nachdem es im Olympiajahr einen verzweifelten Versuch zur Sauberkeit gemacht hat, inzwischen wieder im Müll versinkt (Kalamata macht da keine Ausnahme), wird von den "Deutsch-Peleponesiern" augenscheinlich mit ganz fest zugekniffenen Augen ignoriert. In meinen Augen ist diese Geste ebenso intelligent, wie die im Brustton eines Glaubensbekenntnisses vorgetragene Heilsbotschaft, dass man als Deutscher ja nur in München (wahlweise Berlin, Hamburg, Stuttgart etc.) leben könne und der Rest des Landes nur für Wildschweine zu ertragen sei. Ist Kalamata schön? Na - an manchen Stellen ist´s nett, wenn man lange genug sucht. Aber zu emphatischem Überschwang bietet sich nach meiner Meinung kein Anlass. Corfu ist (viel) schöner (aber nur im Winter). Wir sind hier, weil das Leben günstig, das Segelrevier vielfältig und die Temperaturen (manchmal schon wieder zu) warm sind. Zum schwärmerischen Augenaufschlag reicht´s aber nicht so ganz. Und mit den Anwohnern versuchen wir im direkten Umgang ein freundliches Einvernehmen zu finden, was meistens auch gelingt. Aber zum expliziten "Herzen und Küssen" fanden wir, entgegen der Emphase der Pelepones-Fraktion bisher noch keinen expliziten Anlass (vereinzelte Ausnahmen bestätigen diese Regel). Ansonsten kommt schon manchmal Heimweh nach der Ostsee auf. Zum Beispiel bei der Lektüre eines Büchleins von Clemens Richter "Mit der Firecrest rund Fünen" von 1989.

"Firecrest". Holz, 8 m x 2,5 m, 8 t.
Kein literarisches Highlight - zumindest wenn sich das "Literarische Quartett" darüber auslassen würde. Da schreibt eben einer auf, wie er mit seinem Freund auf einem selbst gebauten Traditionsbötchen (s. Abb. links) durch die "Dänische Südsee" schippert. Das hat so gar nichts Aufgeregtes, nichts Sensationelles. Eine ruhige Beschreibung der Winde, der Segel, die gesetzt wurden, wie der Himmel, das Meer und die vorbeiziehende Landschaft aussah, wie und wo abends geankert oder angelegt wurde, wie eine Mahlzeit zubereitet, genossen und danach bei einem Bier an Deck zusammen gesessen wird oder bei einer Pfeife in der gemütlichen Kajüte (die wohltuender Weise noch nicht "Salon" heißt). Ein paar allgemeinphilosophische Überlegungen oder der Flirt mit einer schönen Frau ist auch schon das "Wildeste". Ein Buch wie ein Stillleben oder ein Landschaftsbild. Man kann das lesen und schaukelt wohlig in den bedächtigen Beschreibungen wie in einer Hängematte an einem Sommertag im Garten. Und jetzt kommt die Sprache auf meinen dritten "Zuschreiber". Irgendwie habe ich den Eindruck, er befürchtet den Untergang des Abendlandes durch meine in seinen Augen höchst tadelnswerte, da für sein Dafürhalten äußerst fehlerbehaftete Art, zu schreiben. "Wo bleibt der Spannungsbogen?" fragt er streng und ich schreibe ihm, dass ich gar nicht weiß, ob der so nötig ist - ich schreib ja keine Krimis für Bastei-Lübbe-Heftchen. Und dann lese ich ein paar Tage später eben den völlig unspektakulären Bericht von Clemens Richter und es schwant mir definitiv, dass eine Hängematte auch ein schöner Bogen ist. Ich habe mein halbes Leben lang Bilder gemalt und ich denke, wenn ich etwas schreibe, ob das jetzt etwas essayistisches oder etwas mit "Handlung" ist, male ich mit Worten ein Bild, mit dem ich etwas auf meine Weise beschreibe, in dem sich der Betrachter aufhalten kann (wenn er denn will) und - gut (?). 
Aber vielleicht liege ich damit ja wirklich etwas außerhalb des "Mainstreams". Wie mit unserer Unity, die sich gegen jeden Gedanken in Richtung der allgemein angesagten "Cruiser-Racer" sperrt, auf der aber sehr beschaulich gereist (s. "Ansichtskarte") und gemütlich gewohnt werden kann. Wenn ich spätabends noch im Ruderhaus am Abgang lehne, meinen Gedanken nachhänge und durch die großen Fenster übers Vordeck hinweg den Hafen beobachte, Pia sich auf der Polsterbank im Hintergrund eingeringelt hat, während ein paar Meter bugwärts Elisabeth schon tief und fest schläft und wir sanft mit den Bewegungen des Bootes in die Nacht geschaukelt werden, ist das einfach schön. Oder wenn wir "draußen" mitten auf dem Meer unterm Sonnensegel sitzen, lesen, zu Mittag essen oder über´s Meer schauen  und die Seele baumeln lassen, während wir gemächlich durch die Weite gleiten. Dann fallen mir wieder einige Plädoyers für die "Entdeckung der Langsamkeit" ein. Könnte, ja - sollte man in diesem Sinne nicht vielleicht ein neues literarisches Genre entdecken? "Entschleunigte Geschichten", oder so? Ich muss bekennen, dass ich mir bei diesen Sätzen in aller Sympathie ein leichtes Grinsen beim Gedanken an meinen "Lektor" (s.o.) nicht verkneifen kann. Jetzt hat er wirklich jedes ihm zu Gebote stehende Argument angeführt, um mich von meinem schreiberischen Tun abzuhalten und dann so was. Mache ich mich damit leichtfertig am Ableben eines enthusiastischen Literaten durch Herzinfarkt oder Schlaganfall schuldig? Schwierige Frage, das.

Gestern blätterte ich in einer unserer Photoarchiv-CDs, um Illustrationen für eine kleine Geschichte aus Lefkas über Ehe und Fahrtensegeln ("Paarlauf") zu finden. Dabei tauchten auch wieder Segelbilder aus den letzten Sommern auf. Wie das Bild unten. Ich weiß nicht mehr genau, wo es aufgenommen wurde. Vermutlich bei der Ansteuerung auf den Stadthafen von Aigina. Der Wind hatte wohl eine Stärke um 6 Beaufort, was am Rollreff der Genua abzulesen ist (die dadurch trotz Schaumeinlage nicht mehr optimal "steht"). Unsere Lage und die Richtung der Wellen zeigt, dass wir ca. 50-60° "hoch am Wind" segeln ...... - ...... wir freuen uns schon sehr auf den nächsten Sommer......

Und "das Letzte": Eigentlich gibt es kaum etwas, das mich noch weniger interessiert als Fußball. Daher war meine Reaktion auf den deutschen Fußball-Wettskandal erst einmal "so what?". Fußball ist kein Sport, sondern ein Politikum und ein Geschäft. Und dass da jetzt ein kleiner Hansel beim Tricksen erwischt wurde, ärgert wohl vor allem die großen Hansel, denen er bei ihren Tricksereien dazwischen pfuschte. Oder versteh ich da mal wieder etwas nicht? Kann mir bei Fußball sehr leicht passieren. So wahrscheinlich bereits bei der Europameisterschaft im letzten Jahr. Da gewinnt ein Land, das bisher auf der Weltkarte Fußball spielender Nationen etwa so bekannt war wie Vanadu als Standort bedeutender Montanindustrie. Ein Land, das kaum je ein bedeutendes Spiel gewonnen hat, wie mir mein Bootsnachbar barmherzig als Nachhilfe herüberreichte. Dieses Land engagiert nun einen erfahrenen Trainer. Der kann dieser Mannschaft auch nicht beibringen, halbwegs gut Fußball zu spielen. Also sieht das (ebenfalls Zitat von Henk in Ägina) ziemlich "holzig" aus, was die Jungs da abliefern. Damit gewinnen sie dann aber die Europameisterschaft. Zufällig ausgerechnet in dem Jahr, in dem in ihrem Land die Olympiade stattfindet. Über deren Vorbereitung die halbe Welt lacht, oder weint - je nach Betrachterposition. Ausgerechnet in dem Jahr also, in dem dieses Land dringenst etwas Politur auf´s Image braucht, taucht dessen Nationalmannschaft aus der Tiefe des Raums der Bedeutungslosigkeit auf und tribbelt sich an allen Platzhirschen vorbei. Der griechische "Mann auf der Straße" konnt´s kaum fassen. Ich auch nicht. Aber, wie gesagt, ich hab ja auch nicht den blassesten Dunst von Fußball. Und mein bisschen "Zwei und Zwei Zusammenzählen" reicht da auch nicht mehr - deshalb nennen wir´s doch einfach mal "Höhere Mathematik" - von der versteh ich nämlich auch nicht viel.