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Insel
Kos, 10. September 2005
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Am 06. September
sind wir
früh morgens aus dem kleinen Hafen von Tilos (rechtes Bild)
ausgelaufen. Damit
sind wir auf der Rückreise. Wenn man es genau nimmt, bereits
auf der Rückreise in den Norden. Da wir nicht mehr nach
Kalamata wollen, geht es in diesem
Herbst noch nach Korfu im Nordwesten, genau zur entgegen
gesetzten Ecke Griechenlands. Es war ein sehr ruhiger Aufenthalt in Tilos,
auch wenn er etwas dramatisch endete: Elisabeth fand beim
Ausgang mit Pia frühmorgens ein umgekipptes Auto auf der Straße: der
junge Bäcker des Ortes, erst vor kurzer Zeit aus dem Ausland
zurückgekehrt, hatte sich zu Tode gefahren. Eine Katastrophe
für einen Vierzig-Seelen-Ort. |
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Der frühe Aufbruch aus
Livadia/Tilos hatte seinen Grund in einem eintägigen Wetterfenster,
einen Tag später blies bereits der Meltemi wieder. Aber in Kos haben wir Strom
und Wasser und können bunkern, uns also auf die Tour durch die
Kykladengruppe gründlich vorbereiten. Auf den nächsten Stationen,
die wir anlaufen, gibt es wenig bis nichts, oft nicht einmal einen
Hafen. Der frühe Aufbruch erwies sich als klug: Die letzten zwei
Meilen mussten wir gegen 6 Bft. Wind und hohe Wellen unseren Weg in
den Hafen erkämpfen. Nach 33 Seemeilen ruhiger Fahrt war das aber
akzeptabel. (Rechts und links: Begegnung mit zwei
Schiffsgenerationen) |

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Es wird bei aller Vorsicht
wohl noch einige schwierige Überfahrten geben in diesem Herbst,
aber eine der "haarigsten" Strecken ist sicher der
bevorstehende Sprung bis in die "inneren Kykladen" über
die Rennstrecke des Meltemi hinweg. Zusätzlich wird dieser Teil der
Ägäis noch von Störungen affektiert, die von der Ionischen See
hereinbrausen. Eines von beidem hat man meistens; wenn man Pech hat,
beides zusammen, mit etwas Glück ein Zeitfensterchen, in dem sich beide
Systeme manierlich verhalten. Wir hätten gerne Glück - also warten
wir. Einstweilen erreicht uns die Nachricht, dass der frühere Chef
unseres bisherigen Winterlagers "Marina Kalamata" wegen
Schmuggelns von vier Tonnen Kokain (!!!) zu 24 Jahren Haft
verurteilt wurde. Schon deshalb zieht es uns nicht mehr unbedingt
nach Kalamata - die Marina verkommt zusehends, was bereits im
letzten Winter zu beobachten war. Auch die heftigen Unwetter
im Winter sprechen nicht unbedingt für diesen Platz. |
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Also laufen wir für den
Winter Korfu an, da wir von dort aus einen
wesentlich besseren Start für unsere Reise nach Frankreich im
nächsten Sommer haben. Auch unsere Gefühle bezüglich unserer Rückkehr
ändern sich nicht signifikant: Wir freuen uns darauf, wieder
"im Norden" zu leben. Drei Jahre Griechenland und Menschen
in Urlaubslaune reichen einfach. Natürlich ist Griechenland
(teilweise) recht hübsch und natürlich sind fröhliche Menschen
ein netter Anblick - aber immer nur Schokolade würde einem auf
Dauer ja auch nicht unbedingt schmecken. Ich selbst bin ohnehin eher
ein "Nordlandfan": ein kühlerer Sommer stört mich weit
weniger als die südliche Bruthitze im Juli und August. Einen warmen
Pullover kann man immer noch zusätzlich überziehen, aber mehr wie
ausziehen (d.h.: T-Shirt und Bermudashorts) geht nicht (obwohl es
auch hier unrühmliche Ausnahmen gibt: Barbusige Steuerfrauen,
Herren nur im Tangahöschen, halb vom nackten Schmerbauch bedeckt,
etc.- manchen graust eben vor gar nichts ...). |
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Ein Vorteil des
Massentourismus in Kos: Es gibt die "Zeit". Und in Nr. 36
schreibt Matthias Politycki, mit dem mich verbindet, dass ich seinen
"Weiberroman" ganz hübsch fand und dass wir als Altersgenossen
unsere Adoleszenz anscheinend im gleichen Innenstadt-Viertel von Stuttgart
verbrachten haben - vielleicht prägt das doch ein bissel. Und so schreibt
M.P. über die Notwendigkeit einer zeitgemäß erneuerten Spiritualität
in unserer Gesellschaft: "Die Aufklärung raubt die Gewissheit
jenseits des Wissens" und: "Wirtschaftswachstum, Innere
Sicherheit, Vollbeschäftigung? Nein, Glaube, Liebe Hoffnung - darunter
scheint´s auf Dauer auch bei uns nicht zu gehen; (...). Andernfalls sind
wir schon morgen nichts als Nachwelt.". Auch wenn er zu diesem
Schluss auf etwas anderen Wegen als den meinen kommt, bin ich weitgehend
mit ihm einer Meinung. Ich habe ja vor kurzem die Herleitung dieses
Gedankens aus dem Geist der Antike versucht (s. Logbuch
vom 20. August, unterer Teil). Auch meine Geschichte "Das
Phänomen" beschäftigt sich mittelbar mit diesem Themenkreis.
Dann schrieb da noch ein gewisser Luca di Blasi was zur Situation der
modernen Kunst unter dem Titel "Alles so schön sinnlos hier"
und empfiehlt uns, wir sollen doch bitteschön einfach selbst solch
unverschämte Zyniker werden, wie die "Künstler", die mit
billigsten Taschenspielertricks Unsummen kassieren, ohne die geringste
Leistung (außer etwas Geschwafel) zu erbringen. Ich möchte den
Firmeninhaber sehen, der mir für die Absichtserklärung, bewusst nicht
arbeiten zu wollen ein Monatsgehalt bezahlt und wünsche Herrn di
Blasi, dass er nächstens im Restaurant sitzt, nichts zu essen bekommt,
dafür eine halbstündige Dialektik des Kochs über den künstlerischen
Anspruch seiner bewussten Verweigerung - und zum Abschluss bitteschön
eine gesalzene Rechnung. Da musste ich dann doch für einen kurzen
Leserbrief zur Feder greifen, da meine derzeitige Lektüre grade so gut
dazu passt: "Sehr "sophisticated",
die Einlassungen von Luca di Blasi. Wer sich jedoch vergegenwärtigt,
welche Verheerungen die Sophisten der Antike mit ihrer desillusioniert -
pragmatischen Grundhaltung in der Gesellschaft anrichteten, mag di Blasi
nicht mehr freudig zustimmen, dass wir uns eine geradezu
sado-masochistische Rezeptionsmethode ("Wenn wir das Ding nicht
lustvoll konsumieren und verstehen können, dann wollen wir es wenigstens
vernichten und töten".) zu eigen machen sollten. Mit ein paar
intellektuellen Piruetten tanzt sich di Blasi gefährlich in die Nähe von
Bürgermeister Wowereits prophaner Erhebung des Sado-Maso-Kults zur
Hauptstadtkultur. Die sophistische Empfehlung di Blasis an den Leser, doch
selbst "des Kaisers neue Kleider" mit zu weben, ähnelt
gefährlich den opportunistisch-lakonischen Lehren des antiken Sophismus -
und der trug, wie wir wissen, nicht unwesentlich zum Untergang von Staat,
Gesellschaft und Kultur der griechischen Antike bei...".
.... oder so ...... |

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Nachtrag 11. September: Heute
Morgen wollten wir frohgemut gen Westen aufbrechen, begegneten jedoch
recht schnell einem Starkwind mit 6-7 Beaufort und entsprechend
hoher Welle - alles von vorn. Das Wetter beruhigt sich zwar anscheinend in
den nächsten Tagen, aber etwas langsamer, als wir dachten. Da heißt es,
pragmatisch zu sein: Wir wollen zwar möglich rasch nach Westen kommen,
aber nicht um jeden Preis. Stundenlang gegenan zu "prügeln" ist
unökonomisch und macht einfach keinen Spaß. Also kehrten wir kurz
entschlossen wieder um und lagen, nachdem wir um 6.45 Uhr abgelegt hatten,
Punkt 08:00 Uhr wieder an unserem Plätzchen im Hafen. Nächster Versuch:
vielleicht morgen .... oder übermorgen ..... oder ..... |

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Welle am Morgen ...
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