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Auch unsere Segel sind inzwischen gewaschen und flatterten vor fünf Tagen beim Trocknen fröhlich in der (noch) lauen Herbstbrise (r). Wenn es geht, wird gebastelt, geputzt, gepackt; im Moment mit reduzierter Energie: wir haben uns die Marina-Grippe eingefangen, schlafen aus und werkeln erst am Nachmittag, wenn die Sonne den starken Taufall an Deck weggetrocknet hat.

 

Die reihum zuschlagende Erkältung schenkt uns somit immerhin etwas "Luft" vor dem Endspurt. Vieles ist bereits abgehakt auf unserer "To Do - Liste", der Rest wird erledigt, wann immer es das derzeitige frühwinterliche Tief erlaubt, das zwar ringsum am Festland und im Innern der Insel mit dramatischen "Fireworks" am Abend und gewaltigen Wolkenmassen am Tage herumfuchtelt, über der Marina aber wunderbarer Weise meist ein Stück blauen Himmels übrig lässt, sodass es ab Mittag noch einmal angenehm warm wird. Am schlimmsten Erkältungstag ließen wir die Arbeit ganz ruhen und machten nur Nachmittags einen Rundgang durch die Marina. 

"Bötchen anschauen" macht uns noch immer Spaß und dass die "Bötchen" auch Namen haben, erhöht den Reiz solcher Exkursionen noch um Einiges. Es sind ja die Begriffe, die uns sprachlich erlauben etwas zu "be-greifen". Ob das nun "Bett", "Stuhl" oder "Hosenlatz" heißt. Das hat sich im Laufe vieler Generationen so ergeben und dient der Verständigung ganz ungemein. Wenn nun aber das Individuum als Singularis aufgefordert ist, zum Idiom zu greifen, um etwas bis dato Namenloses zu bezeichnen, wird die Sache hoch spannend. Eine esoterisch gesinnte Freundin erzählte mir von einer schwäbischen Glaubensgenossin, die ihr Töchterchen "Kassiopeia" nennen wollte - leider hieß die Gute nun mit Nachnahmen "Schläpple"..... wohlmeinende Freunde konnten sie davor bewahren, ihr Töchterchen schon am Beginn seines Erdenlebens dergestalt zu belasten.

Aber wie der Nachwuchs, sollte auch das eigene Boot, und sei es aus maritimer Tradition heraus oder "der Ordnung halber", einen Namen erhalten. Wird es doch vom Seefahrer noch immer in guten Zeiten als Persönlichkeit betrachtet (in schlechteren ist´s dann eben "der Sch....-Kübel"). Der nordische Kleinskipper vergangener Zeiten blickte bei solchen Gelegenheiten sinnend um sich und durch Anschauung wanderte die phantasiemäßige Minimallösung ganz handfest an Bug oder Heck: "Seeschwalbe", "Albatros" oder "Kleine Welle". So geht´s natürlich heute oft nicht mehr. Es soll doch wenigstens etwas Weltläufigkeit signalisiert werden. Das heißt dann "Down-" oder "Fairy Wind", "Cumulus" oder "Mistral". Geflügel oder anderes Getier taucht weiterhin auf, MUSS aber dann aus exotischen Gefilden stammen. Auf diese Weise werden wir die Yacht von lieben Freunden wohl nie korrekt benennen können: Irgend ein exotischer Seeotter in der Bezeichnung irgendeines südindonesischen Dialekts. Und überhaupt - exotisch darf gerne sein, auch wenn´s mir so viel oder wenig sagt wie "Wkrfstladl": "Waneta", "Adalalsa", "Hakuna Matata", "Tayawinga". In Verbindung mit südseeischen Unaussprechlichkeiten kommt dann auch "Kassiopeia Schläpple" wieder zu ihrem Recht:

Ein riesiger Selbstbau - Katameran, groß wie ein mittleres Kricketfeld, in den meisten Häfen gar nicht unterzubringen. Dafür aber unter Deck höchstens mit dem Raumangebot einer ordentlich konzipierten 11-Meter-Yacht heutiger Tage. So viel zur Rubrik "Exoten auf freier Wildbahn". (der Besitzer/Erbauer hat übrigens die Anmutung eines sauerländischen Lohnbuchhalters, was das Exotische schon fast ins Unglaubliche treibt).

Weithin regiert aber eine Beliebigkeit, die in der Sinntiefe kaum mehr die berühmte "Handbreit" unterm metaphorischen Kiel lässt: Da will einer auf der "sunny side" sein, wo sein Blues zu "Cool Jazz" wird, das "Nirvana" erscheint ihm glatt in seiner "Fantasia" (wenn man schon keine hat....), bis ihm nur noch "Flu Flu" im Hirn herumflattert,  aber für die "Joy of Freedom III" (! - auch beim 3. Mal nix besseres eingefallen) nimmt er gerne die "Solitude" in Kauf, denn "Punto & Basta" - Punkt und Schluss sagte die Gattin und ging von Bord, der Scheidungsrichter erkannte dann, dass das Boot "His & Hers" war - schwupps war die Hälfte weg. Zu spät rief er ihr nach: Ach sei doch wieder meine "Aurora Sunrise", dann begab er sich auf eine "Odyssea" mit dem verbliebenen halben Boot, das er rot anstrich und von nun an ersatzweise als "Amarante" bezeichnete. So träumte er von "Baracuda"s und dem "El Paradiso", zum "Ausgleich" dafür, dass er nur noch am Baggersee bei Castrop-Rauxel unterwegs war. Oder so...

Auch wenn´s wohl nicht immer hilft, wandert zuweilen die Gattin gleich direkt an den Bug: "Hanny" (Heimathafen Braunschweig...) - zuweilen ganz zärtlich "Maus Kati", pietätvoll "Benedetta", mit Resopal-Chick "Lady B." oder wenigstens der Trivial-Bettlegtüre der Gattin entlehnt "Angelique". Und wenn auch das nicht, dann wird eben irgendeine Göttin oder sonstige Antikengestalt bemüht, mit der dann zuweilen ganz sprachlich falsch aber den Umständen entsprechend signalisiert wird, was man so in Kajüte und Koje mit sich führt: "Santippe". (eine amüsante Facette dieses Aspekts unter der Rubrik "dumm gelaufen" habe ich bereits am Anfang eines Juni-Logbuchs erwähnt). Der fröhliche Junggeselle dagegen benennt forsch etwas aus dem Spektrum seiner zweitliebsten Tätigkeit auf See: "Gin Fizz", "Pina Kolada" oder (s. Bild links):

Eigentlich schon wieder ein nettes Wortspiel für einen im griechischen herumvagabundierenden Katamaran... Den altphilologisch bewanderten Studienrat hingegen scheint beim Wechsel an die See der schiere Pragmatismus befallen zu haben (o).
Was immer für Getränke am Heck geehrt werden - den Vogel dieser Sparte schoss letzten Herbst nicht nur namensmäßig die "Prosit" ab, die unter haarsträubenden Bedingungen auslief (s. "das Letzte", 07.2005) und bei Sturm von 9 Bft. an die Kykladenfelsen geworfen wurde. Man stelle sich den Notruf vor: "MAYDAY MAYDAY PROSIT!" - die vorgenannten Gesöffe machen sich in dieser Situation auch nicht viel besser. Ganz allgemein wird der Aspekt einer Havarie oder einer offiziellen Identifizierung durch die Küstenwache anscheinend des Öfteren bei der Schiffstaufe eher weniger in Betracht gezogen. Man stelle sich ein "Mayday" mit diesem Schiffsnamen vor:

Ja was nu? Auch der eigentlich sympathisch bescheidene Name, den wir auf einem kleinen Boot fanden, könnte in einer "Mayday"-Situation eher als die nervliche Bankrotterklärung des Skippers gedeutet werden: "Mir reicht´s". Auch in Notsituationen unangebrachter Fatalismus à la "Mayday, mayday - "C´est la vie"!", könnte zu gewissen Irritationen führen. Also dann doch lieber etwas in Richtung "Möwe3"?

"Mayday, Mayday - KINGFISHER!" Also - gleich eine Ornitophobie wegen Sichtung eines Eisvogels zu signalisieren, ist vielleicht auch etwas übertrieben...

 

Mancher Skipper ist bei der Wahl des Schiffsnamens ohnehin anscheinend so ratlos, dass er letzteren am liebsten schamvoll verbirgt und/oder unkenntlich macht:

Dabei gibt es doch so ausdrucksstarke Alternativen:
1. Der Düsseldorfer Betriebswirtschaftler, der seinen Bar-Code über alles zu lieben scheint, 2. der launige englische Wortakrobat (Mayday, Mayday - May not!), 3. der hässlich protzige Mega-Motorkübel mit passend phantasielosem Namen, 4. der putzige traditionell-nordische Kleinsegler

 

Auch die ungeschickte Wahl der Dimensionierung macht sich bei der Wahl des Schiffsnamens oft nicht allzu elegant. Sei es nun bei der Bezeichnung eines 10-Meter-Bötchens (links) oder rein sprachlich in der epischen Ausführlichkeit (rechts):

Und dann gibt es da noch die besonders in nordischen Breiten gehäuft vorkommende Gilde der bildungsbürgerlichen Altphilologen: "Papagena", "Carus", "Ichtys", Pisces", "Mare", dazu der gesamte nordische und südliche Götterolymp von Odin bis Circe. Und das womöglich auf einer Siebenmeterfünfzig Dehler. Da gehört ein gerüttelt Maß an Selbstbewusstsein oder Selbstironie in die Backskiste, sonst haben wenigstens die dummen Pisageschockten was zum Schmunzeln. Zumal "Fisch", ob ins Altgriechische oder Lateinische übersetzt eben doch nur ganz profan "Fisch" bleibt und "Meer" im Romanischen auch nicht grade von überbordendem Erfindungsreichtum zeugt. Wer ohne Altgriechisch und Latein seine englischen Grundkenntnisse bereits als Grund ansieht, mit der Grundschulbildung zu protzen wird dagegen "anglobombastisch": "Sunset Warrior", "Wild Cat", "Steel Pulse", "Lotus Flower" - hab ich das nicht so oder ähnlich bereits in drittklassigen Comics, an zwielichtigen Etablissements und Loddl-Camaros gesehen? Kann mich ja täuschen.... Gar seltsam mutete uns auch der Name an, unter dem unsere "Unity" vordem durch die Gegend schipperte: "Nekton". Ich kramte in den Resten meiner altphilologischen Vorbildung. "Nek-" wie "nekrotisch" oder "nekrophil" deutete auf etwas Totes, "-ton" dann immerhin auf etwas im Meer Schwimmendes (z.B. "Plankton"). Etwas "Unbelebtes", also de facto Totes, das im oder auf dem Meer schwimmt - iiiii-gittigittigit! Als ich seinerzeit in diesem Logbuch etwas zu lästern anhob, reagierte der Vorbesitzer ganz entsetzlich beleidigt und wies mich aufgebracht darauf hin, dass er den Begriff bitteschön aus dem Lexikon habe: dem Kreuzworträtsel-Lexikon nämlich. Es ist bei der Wahl eines Bootsnamens sicher ganz angebracht, nicht allzu demonstrativ "BÜldung" in einer Sparte vortäuschen zu wollen, in der halt ganz offensichtlich keine vorhanden ist. So viel zu den Themen "Fremde Federn" und "lächerlich". Oder ... halt - da war doch noch was: auch bei der Anbringung des Bootsnamens kann die Lach-Falle lauern - man sollte beim Aufkleben der Buchstaben vielleicht acht geben, wo die Löcher der Tankentlüftung platziert sind, damit man beim Anlegen mit dem Heck nicht jedes Mal in dümmlich grinsende Gesichter schaut:

 

Und wo bleibt das Positive? Hier drei listig/lustige Namen, die wir gefunden haben:

- "demi sec" (halb-trocken) - ein Freund aromatischer Schaumweine?

- "Mani II": ein Boot, das seinen Heimathafen am mittleren Finger des Pelepones, der "Mani", hat und dessen Besitzer anscheinend auf See den Schutz indianischer Götter erfleht.

- "Freitag": die treue Begleitung eines Defoe-Fans.

Aus dem Freundes- und Bekanntenkreis:

- "Cats" (im Original-Schriftzug): kurz, knackig und international - Peter ist Musical-Fan.

- "Samoa": Verständlichkeit und Internationalität o.k., Sinn auch: für Urs und Iris begann ihre Segelleidenschaft auf der Südseeinsel.

- "Circe": ein klassischer Traditionssegler von 26 Metern Länge darf so heißen (s. "Der Fliegende Holländer")

- "Golden Wind": Einem, der auf Rahseglern unterwegs war und als ZEN-Mönch in Japan lebte, steht ein metaphorisch deutbarer Begriff aus der fernöstlichen Spiritualität durchaus passend "zu Gesicht", auch wenn das (bemerkenswert intelligent konzipierte und atlantik-erprobte) Boot "nur" sieben Meter Länge aufweist (s. Logbuch Psara).

- "Miss Sophie": Wer kennt nicht "Dinner for one"? Eine allsommerlich ausgiebig bewegte Yacht nach dem Sketch zu benennen, dessen bekanntester Satz lautet ".... same procedure as every year...." ist einfach nett. Und sicher hat der verschmitzte Skipper auch bei manchem nicht so ganz befriedigend abgelaufenen Segelmanöver den Schlusssatz der legendären Aufführung mit Peter Frimpton im Kopf: ".... I´ll do my very best....".

- "First Lady": da ich grade Peter Frimpton erwähnt habe: Bootseigner Jack ist sein legitimer Doppelgänger. Aber Jack, mittlerweile 78 Jahre alt, arbeitete seit seinem 13. Lebensjahr auf See, hat als Wittwer zum zweiten Mal geheiratet, was ihn jedoch nicht daran hindert, die Sommer "einhand" auf seiner Westerley (wie der Skipper betagt, aber ebenso "tipp-topp in Schuss") zu verbringen. Sie ist und bleibt eben seine First Lady. Wir haben vergnügte Tage als Nachbarn von Jack verbracht - sein Humor steht dem von P.F. in nichts nach....

- "French Leave": Auf diesem Boot bekamen wir vorgestern köstliche Rösti mit original "Züricher Rahmgeschnetzeltem" serviert: Renata ist Schweizerin, Robin ein englischer Falkner. Die Welt ist klein: in meiner naturschutz-bewegten Kindheit im Schwarzwald war ich oft auf einem Falkenhof im Nachbardorf, dessen (guter) Ruf anscheinend bis in englische Fachkreise hinein reicht. Über den Boots-Namen musste ich erst etwas rätseln, bis ich ihn einfach wörtlich ins Deutsche übersetzte: "Sich französisch verabschieden" bedeutet auch im Deutschen, sich heimlich wegschleichen. Gut verständlich, international, mit verschmitztem Hintersinn. So kann ein Bootsname sein....

Für mein Dafürhalten sollte ein guter Bootsname wie die Form unseres (in meinen Augen sehr schönen) Nachbarbootes sein:

Elegant im formalen Schwung, sinnvoll minimalistisch ohne überflüssige Schnörkel und mit "inneren Qualitäten". Nebenbei: das abgebildete Boot ist kompromisslos auf sportliches Segeln in Flachwasser-Revieren konzipiert: Kein Kiel, sondern "Innenballast" mit absenkbarem Schwert, ebenfalls stufenlos aufholbares Ruderblatt, als "Flautenschieber" zwei großvolumige 9,5 PS - Außenborder, die "im Schacht" gefahren werden und beim Segeln aus dem Wasser gekippt werden können, um keinen Widerstand zu erzeugen. Dieses Konzept hat noch weitere Vorteile: bei zwei Motoren kann auch mal einer ausfallen und zur Wartung können die Motoren in Minutenschnelle von Bord genommen werden, man muss sich nicht in einem engen Motorraum quälen. Das hat "Charme".

Und wie steht´s "rein namenstechnisch" mit unseren eigenen Booten?

- unsere "Erste" war eine kleine Dehler Varianta, hervorragend gepflegt und daher auch noch mit dem original Gelcoat aus den Siebzigern im damals angesagten "Quietsch-Orange". Wir nannten sie daher "High C" nach der bekannten deutschen Orangensaft-Marke mit dem Hintersinn, dass der Name englisch ausgesprochen durchaus auch maritimen Sinn macht. Bei einem 6,50-Meter-Bötchen darf etwas Augenzwinkern wohl sein ....

- unsere "Unity" bekam ihren Namen, weil ich in der Zeit des Ankaufs an einer Serie "Universal Unity" arbeitete, und mir Gedanken über allumfassende Zusammenhänge machte. Auch auf See sind wir ja "mit allem" verbunden: dem Himmel, dem Meer, den Küsten und nicht zuletzt dem Universum unseres Seelenlebens. Also "Unity" - kurz, gut verständlich, international. "Die Unity" hat auch einen hübschen Klang. Dass wir unser Beiboot dann noch "Trinity" nannten, ist ein kleiner Privatscherz: die Trinty kann man 1. segeln, 2. rudern oder 3. mit Außenbordmotor bewegen. Und da Elisabeth und ich durchaus panreligiös gesinnt sind, macht eine "Trinity" als Beiboot einer  "allumfassenden" Unity auch noch theologisch Sinn.